Operation Romanow
Tasche. Zwei Gedanken schossen ihm durch den Kopf: Er musste Anastasia finden. Und Kasan töten. Er war so wütend, dass er fast die Besinnung verlor, gleichzeitig spürte er, dass sich eine seltsame Ruhe in ihm breitmachte, als hätte ihn der sichere Tod schon in die Arme geschlossen.
Er stieg aus dem Opel und ging auf den Zug zu. Als er den vierten Wagen erreichte, öffnete er die Tür und stieg ein.
»Die Zeit ist um. Wie haben Sie sich entschieden?«
Boyle warf Andrew einen Blick zu. Seine Körperhaltung verriet, dass er aufgegeben hatte.
»Warum glaube ich Ihnen nicht, dass Sie Ihr Wort halten?«, sagte Andrew.
Kasan zog die Pistole. »Sie haben keine andere Wahl. Seien Sie vernünftig. Legen Sie alle Ihre Waffen auf den Tisch und stellen Sie sich ans Ende des Wagens.«
Boyle ließ seinen Colt auf den Tisch fallen, Andrew legte seinen Revolver daneben.
»Die Frau auch«, sagte Kasan.
Lydia warf ihre Mauser auf die Tischplatte.
Kasan zeigte mit der Waffe auf Jakow. »Stellen Sie sich zu den anderen.«
»Dafür werden Sie sterben, Kasan!«
»Ich lasse Ihnen den Vortritt.«
In seiner unbändigen Wut warf sich Jakow auf Kasan, der ihm geschickt auswich. Er hob die Waffe und verpasste Jakow mit dem Griff seiner Pistole einen kräftigen Schlag auf den Kopf, worauf dieser gegen die Wand taumelte. »Stellen Sie sich zu den anderen an die Wand«, zischte Kasan. »Eine kleine Generalprobe für den Moment, wenn das Erschießungskommando vor Ihnen steht!«
Jakow rappelte sich mühsam hoch.
»Durchsucht Sie nach weiteren Waffen«, befahl Kasan seinen Männern.
Einer von Kasans Leuten, der in der Nähe des geöffneten Fensters stand, sah, dass ihr Gefangener aus dem Opel stieg und in aller Ruhe auf den Zug zuging. Fassungslos streckte er den Kopf aus dem Fenster und verfolgte mit offen stehendem Mund das Geschehen. Der Gefangene stieg drei Wagen weiter in den Zug ein.
»Inspektor …«, rief er ungläubig.
»Was ist los?«
»Der Gefangene ist gerade in den Zug gestiegen!«
126. KAPITEL
Hauptbahnhof, Jekaterinburg
Sorg lief über den Gang. Er umklammerte die Pistole mit einer Hand, die Klinge mit der anderen. Seine Sinne waren geschärft. Er lauschte, hörte aber nichts, nicht einmal Stimmen, und das machte ihn misstrauisch. Sein Herz raste.
Wo ist Anastasia?, fragte er sich.
Schließlich erreichte Sorg das Ende des leeren Waggons. Eine Tür führte zu einem kurzen Übergang zum nächsten Wagen. Sorg öffnete sie langsam, ging hinüber und drückte die nächste Waggontür auf, die sich quietschend öffnete.
Er trat ein, schloss die Tür leise hinter sich und lief den Gang hinunter. Die Toilette, an der er vorbeikam, überprüfte er nicht.
Das war ein Fehler.
Denn nur einen Augenblick später hörte er ein leises Klicken hinter sich, und den Bruchteil einer Sekunde später spürte er den kalten Lauf einer Waffe im Nacken.
»Werfen Sie die Pistole auf den Boden, oder ich schieße«, sagte ein Mann.
Sorg ließ die Waffe fallen.
Vor ihm trat ein anderer von Kasans Männern – der mit dem grauen Schlapphut – aus einem Abteil und grinste. »So sieht man sich wieder. Sie legen es wohl darauf an, dass Kasan Sie wieder in die Mangel nimmt.« Er bückte sich, hob Sorgs Waffe auf und steckte sie in die Tasche. »Durchsuch ihn.«
Der Mann hinter ihm tastete ihn mit einer Hand ab, die andere drückte ihm immer noch die Waffe in den Nacken. Sorg versuchte unauffällig, einen Blick über die Schulter zu werfen.
»Drehen Sie sich um!«, befahl ihm der Mann mit dem Schlapphut.
Sorg wählte den Mann, der hinter ihm stand, als erstes Opfer aus. Er hob die Hand, in der er die Klinge hielt, und schwang den Arm mit voller Wucht nach hinten. Die Klinge traf den Mann genau unter dem linken Auge und drang tief in die Augenhöhle ein. Er stürzte schreiend zu Boden und presste eine Hand aufs Gesicht.
Der andere vor ihm reagierte sofort und richtete seine Pistole auf Sorg. Doch der riss schon seinen Arm nach vorne, stürzte sich auf den Gegner und stieß ihm die Klinge mit voller Wucht in die Brust.
Der Mann schnappte keuchend nach Luft und taumelte rückwärts, ehe er auf dem Boden zusammensackte.
Sorg drehte sich zu dem Mann um, der hinter ihm gestanden war. Er schrie noch immer und presste eine Hand auf sein blutendes Auge. Mit der anderen fuchtelte er blind mit der Waffe herum. Sorg tötete ihn mit einem einzigen gezielten Stich ins Herz.
Dann bückte er sich und hob die Waffe und den grauen Schlapphut auf. Er
Weitere Kostenlose Bücher