Operation Romanow
beim Diebstahl erwischt. Er hat den Preis für seinen Verrat bezahlt, und damit ist alles erklärt. Das ist meine Version der Geschichte, und dabei bleibe ich.«
Er wandte sich Schwester Agnes zu. »Ich rate Ihnen, den Zug unverzüglich zu verlassen. Ob das Mädchen überlebt oder stirbt, liegt nicht in unserer Hand. Mein Arzt wird alles tun, was in seiner Macht steht.«
Schwester Agnes bekreuzigte sich und küsste Jakow die Hand. »Danke, mein Sohn. Vielen Dank für alles, was Sie getan haben.«
»Noch ein Rat. Ich an Ihrer Stelle würde mit den Nonnen die Stadt verlassen. Ich habe das sichere Gefühl, dass ich keinen Einfluss mehr auf das habe, was geschieht, wenn das alles hier vorbei ist. Gehen Sie jetzt!«
Schwester Agnes lief zum Feldbett, zog das Laken vom Kopf der Zarentochter und strich der bewusstlosen Anastasia über die Wange. Dann umarmte sie Lydia und verabschiedete sich von den anderen.
Als sie den Zug verlassen hatte, zog Jakow die Rollos herunter. »Es ist besser, wenn man nicht in den Zug hineinsehen kann. Jedenfalls, bis ihr den Bahnhof hinter euch gelassen habt.«
»Woher kommt plötzlich dieser Sinneswandel, Leonid?«, fragte Andrew.
»Es hat genug Tote und genug Morde gegeben. Du hattest recht. Es ist genug.«
»Kommst du mit uns?«
»Das ist im Augenblick nicht möglich. Ich werde im Kreml erwartet, um dort Bericht zu erstatten. Außerdem kann ich Katerina nicht im Stich lassen.«
»Boyle hat versprochen, sie aus Moskau herauszubringen. Das war die Wahrheit.«
»Und ich habe vor, das Angebot anzunehmen. Das erkläre ich dir später. Tust du mir einen Gefallen?«
»Jeden.«
»Schau nach, wie es Nina geht. Beeil dich. Der Nebel wird immer dichter. Ich will, dass ihr die Stadt verlasst, solange noch Zeit ist.«
Jakow öffnete sein silberndes Etui aus der Brusttasche und bot Boyle eine Zigarette an. Er entzündete sie an der flackernden Flamme eines Steichholzes und wandte sich dann Lydia zu. »Ihr Freund spricht nicht gut Russisch. Daher bitte ich Sie, alles zu übersetzen. Ich möchte, dass meine Tochter aus Moskau herausgebracht wird.«
»Und Sie?«
»Das ist im Augenblick nicht wichtig. Ich traue Trotzki und Lenin nicht mehr. Ich werde versuchen, die Freilassung von Ninas Eltern aus dem Gefängnis zu erreichen. Kann er sie auch aus dem Land herausbringen?«
Lydia übersetzte alles, auch Boyles Antwort. »Boyle sagt, er kann es arrangieren.«
»Wie schnell?«
»Innerhalb weniger Wochen. Sie haben sein Wort.«
Jakow dachte kurz nach. »Ich brauche mehr als das. Nachdem, was heute Nacht geschehen ist, weiß ich nicht, ob ich noch lange leben werde. Darum müssen Sie als Gegenleistung für meine Hilfe etwas für mich tun. Einer von Ihnen muss mit mir nach Moskau kommen und für Katerinas Sicherheit sorgen, bis sie aus dem Land gebracht wird. Ich werde für beide eine sichere Unterkunft besorgen. Alles andere würde das Leben meiner Tochter gefährden.«
»Was ist mit Ihnen?«
»Wenn ich dann noch lebe, können wir alle zusammen das Land verlassen.« Jakow zog ein Notizheft aus der Tasche und kritzelte eine Adresse hinein. »Über diese Wohnung können Ihre Leute Kontakt zu mir aufnehmen.«
Als Lydia alles für Boyle übersetzt hatte, hörten sie ein Geräusch hinter sich. Andrew war zurückgekehrt. Er lehnte an der Tür und hörte zu.
»Du hast alles mitbekommen?«, fragte Jakow.
Andrew trat vor. »Genug, um mich zu entscheiden. Ich bleibe, Leonid.«
Jakow schüttelte den Kopf. »Nein. Nina braucht den Vater ihres Sohnes. Sei gut zu ihr. Ihr Herz ist gebrochen. Ich fürchte, sonst wird sie es nicht schaffen. Außerdem wird nach dir gefahndet, und es wäre zu riskant, wenn du bleibst.« Jakow zeigte auf Sorg. »Er muss medizinisch behandelt werden. Und Boyle brauchen Sie, um hier herauszukommen. Er drehte sich zu Lydia um. »Ich fürchte, da bleiben nur noch Sie übrig.«
»In Ordnung«, sagte sie.
»Würde mir das bitte mal jemand übersetzen?«, fragte Boyle.
Lydia erklärte es ihm, und als Andrew gegen ihre Entscheidung Widerspruch einlegte, sagte sie: »Ich habe mich entschieden. Juri. Es wird nicht für lange sein. Höchstens ein paar Wochen.«
Sie wechselten einen zärtlichen, aber kummervollen Blick.
Das Pfeifen einer Lokomotive ertönte. Der Wagen erbebte leicht, und als die Puffer gegeneinanderstießen, hörten sie einen lauten Knall.
Kurz darauf klopfte es laut. Der Kommandant der Kaserne streckte den Kopf in den Wagen. »Wir haben eine andere Lokomotive an
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