Operation Romanow
werden niemals Freunde sein! Und nehmen Sie Ihren Hut in diesem Gotteshaus ab, bevor ich ihn Ihnen vom Kopf reiße!«
Der Mann grinste. »Sie sind sehr mutig, nicht wahr, Vater?«
Doneski ging auf den Mann zu und zog ihm die Leinenmütze vom Schädel. Der Besucher konnte es gegen den großen Priester mit dem muskulösen Körper nicht aufnehmen und musste zusehen, wie seine Mütze auf den Boden flog. »In meiner Kirche tun Sie, was ich sage«, stieß Doneski böse aus.
Mit mürrischer Miene hob der Mann die Mütze auf und klopfte den Staub ab. »Ich wäre an Ihrer Stelle respektvoller, sonst wird es jemand ausbaden müssen.«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, erwiderte Doneski, dessen Gesichtsmuskeln plötzlich zu zucken begannen, in gequältem Ton.
Der Besucher stopfte die Mütze in seine Tasche. »Nicht alles, Vater. Ich bin Hanna Wolkowa gestern den ganzen Tag gefolgt. Sie hat im Connaught Hotel übernachtet. Es stellte sich heraus, dass sie sich mit dem amerikanischen Botschafter und zuvor hier in der Kirche mit einem anderen Mann getroffen hat. Ich bin ihm zu einer Druckerei in Whitechapel gefolgt. Was hat das zu bedeuten? Was hat diese bourgeoise Schlampe vor?«
Doneski schwieg.
»Haben Sie unsere Abmachung vergessen?«
Der Priester ballte wütend die Fäuste. Er musste sich zusammenreißen, um sich nicht auf den Mann zu stürzen und ihn zu erwürgen. »Ich habe immer gesagt, dass ihr Roten nichts anderes als Teufel in Menschengestalt seid!«
»Sie wollen doch nicht, dass Ihrer lieben alten Mutter oder Ihren Verwandten in Moskau etwas zustößt, nicht wahr? Sagen Sie mir, was Wolkowa im Schilde führt, bevor ich meine Meinung ändere und sie alle in ihren Zellen verrotten lasse.«
Doneski ließ die Schultern hängen. Er wusste, dass jeder Widerstand zwecklos war. »Der Mann, mit dem Hanna Wolkowa sich getroffen hat, heißt Andrew. Er ist russischer Emigrant. Ich habe ihn vorher schon mal in unserer Suppenküche gesehen.«
Der Mann grinste. »Ausgezeichnet. Und jetzt strengen Sie Ihr Gehirn mal an und erzählen mir alles, was Sie wissen. Und lassen Sie nichts aus.«
Um kurz nach sechs Uhr am nächsten Abend bestieg der untersetzte Mann den Nachtzug nach Edinburgh, der kurz darauf den Bahnhof King’s Cross verließ. Er fuhr dritter Klasse und trug einen Seesack bei sich.
Am nächsten Morgen passierte der Zug in aller Frühe die schottische Grenze und fuhr schließlich in den Bahnhof von Edinburgh ein.
Der Russe hatte kaum geschlafen und war erschöpft. Die Informationen, die er sich eingeprägt hatte, verstärkten seine nervöse Anspannung. Er betrat ein Telegrafenamt in der Stadt und schickte ein kurzes, verschlüsseltes Telegramm nach Paris, von wo aus es anschließend nach Moskau weitergeleitet wurde.
Der Mann betrat ein Geschäft und kaufte mit seinen Lebensmittelmarken Marmelade, Dosenschinken, Zwieback und Sardinen für die lange Reise, die vor ihm lag. Außerdem nahm er eine Flasche Buttermilch und etwas frisches Brot und Käse fürs Frühstück mit. Er verschlang es gierig, als er zum Hafen ging.
Der Russe legte seine Fahrkarte vor und bestieg kurz vor Mittag die Baltic Prince . Sein schwedischer Reisepass auf den Namen Lars Westens wurde überprüft und nicht beanstandet.
Die Schiffsreise war recht angenehm. Die Nordsee war spiegelglatt, und am sommerlichen Nachthimmel leuchteten die Sterne.
Vier Tage später ging der Russe in Helsinki von Bord und nahm eine Straßenbahn zum Marktviertel. Im Haus einer älteren Frau, einer Parteigenossin, konnte er ein heißes Bad nehmen und bekam ein Essen, ein bisschen Bargeld, neue Reisedokumente und eine Zugfahrkarte nach Moskau.
Nach mehreren Verzögerungen an der russischen Grenze, an der die Wachposten der Roten Armee die Papiere aller Reisenden peinlich genau überprüften, erreichte sein Zug zweiundsiebzig Stunden später endlich Moskau.
Um Viertel nach neun an diesem Morgen stand der Mann vor dem Tor des kleinen, runden Kutafja-Turms am Eingang des Kreml. Dieser eigentümliche weiße Turm war durch eine Brücke, die sich über einen alten Burggraben spannte, mit der Festung verbunden. Der Russe reichte dem Soldaten seine Papiere, der sie mit selbstgefälliger Miene prüfte. »In welcher Angelegenheit sind Sie hier?«
»Einer privaten. Rufen Sie die Sekretärin des Genossen Lenin an und sagen Sie ihr, dass Semaschko mit dringenden Nachrichten aus London gekommen ist. Beeilen Sie sich.«
Der Wachsoldat ärgerte sich, dass ein
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