Operation Romanow
sich.
Kurze Zeit später hörte es auf zu regnen, und die Sonne schien durch die Fenster hinein. Boyle wartete geduldig, bis Lydias Lider zu flackern begannen. Als sie die Augen endlich öffnete, blinzelte sie verschlafen, ließ den Blick durch den Raum wandern und betrachtete dann verwirrt den Besucher.
»Wie geht es Ihnen, Miss Ryan?«
»Ich bin müde und habe Schmerzen«, erwiderte sie verschlafen. »Wer sind Sie?«
Boyle lächelte und schob den Rollstuhl, der in einer Ecke stand, ans Bett. »Es wird Sie freuen zu hören, dass der Arzt gesagt hat, dass Sie wieder ganz gesund werden. Ich helfe Ihnen in den Rollstuhl.«
Jetzt war Lydia hellwach. »Warum? Wohin bringen Sie mich?«
»Ein bisschen frische Luft schnappen. Wir beide müssen reden.«
»Wer sind Sie?«
»Ich bin der Mann, der Ihnen das Leben retten wird.«
Von dem winzigen Park hinter dem Krankenhaus, in dem hübsche Blumenbeete angelegt waren, fiel Lydias Blick auf eine Reihe georgianischer Häuser aus dem achtzehnten Jahrhundert.
Die gemauerten Wachtürme des nahe gelegenen Mountjoy Gefängnisses überragten die Mauern des Krankenhauses. Boyle zog eine Schachtel Player’s Navy aus der Tasche. »Ich habe gehört, dass die Frauen jetzt ganz versessen aufs Rauchen sind, seit sich eine Mitstreiterin von Mrs Pankhurst bei einem Derby vor ein Pferd geworfen hat, um mehr Rechte für Frauen durchzusetzen. In der Zeitung Suffragette wurden Zigaretten kürzlich als ›die Fackeln der Freiheit‹ bezeichnet.«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte Lydia.
»Nein, ich wollte nur ausdrücken, dass ich es nicht anstößig fände, wenn Sie eine Zigarette rauchen wollten.«
»Nein, möchte ich nicht. Würden Sie mir jetzt bitte sagen, wer Sie sind?«
»Mein Name ist Joe Boyle.« Er zündete ein Streichholz an und hielt seine freie Hand schützend vor die Flamme, um sich Feuer zu geben. Dann schwenkte er das Streichholz kurz durch die Luft, sodass es erlosch, und warf es weg. »Eine furchtbare Angewohnheit, der ich seit Kurzem gelegentlich fröne. Vielleicht hilft es mir, die Hindernisse der nächsten Wochen zu überwinden. Warum sehen Sie mich so misstrauisch an, Miss Ryan?«
»Mich verwirrt Ihr Akzent. Warum arbeiten Sie mit Mördern des britischen Geheimdienstes zusammen?«
Boyle zog an der Zigarette. »Da irren Sie sich. Ich bin Oberstleutnant in der kanadischen Armee, aber dieser Dienstgrad wurde mir nur ehrenhalber verliehen. Bitten Sie mich nicht, das zu erklären. Es ist eine komplizierte Geschichte.«
»Ich verstehe nicht …«
»Gut, ich mache es kurz. Ich brauche Ihre Hilfe, Miss Ryan, und ich brauche Sie dringend.«
»Um was zu tun?«
Boyle zog noch einmal an der Zigarette und blies den Rauch aus. »Sie sind wirklich eine bemerkenswerte junge Frau, wissen Sie das? Es gibt nicht viele Frauen mit Ihrem Hintergrund. Ihr Vater hat in Sankt Petersburg eine erfolgreiche Pferdezucht betrieben. Sie haben dort die Sankt-Benedikt-Klosterschule besucht und Russisch zu sprechen gelernt wie eine gebürtige Russin.«
»Ich verstehe nicht, was das alles mit Ihnen zu tun hat!«
»Lassen Sie mich ausreden. Ihre Eltern siedelten nach Kentucky über, und sie scheinen zu glauben, dass Sie und Ihr Bruder auf dem Pferdegestüt ihres Onkels in Kildare in Sicherheit sind. Sie wissen übrigens auch nichts von Ihrem Engagement für den irischen Republikanismus. Wenn Sie es wüssten, würden sie sich schrecklich aufregen und Ihnen befehlen, das nächste Schiff nach Amerika zu besteigen.«
»Sie scheinen eine Menge zu wissen, Boyle.«
»Ich habe mich informiert. Bevor Sie Ihren Verlobten kennengelernt haben, haben Sie als Gouvernante der russischen Zarenfamilie gearbeitet. Das muss für eine neunzehnjährige junge Frau ein großes Abenteuer gewesen sein.«
»Das Haus Romanow hat Hunderte von Ausländern als Gouvernanten und Hauslehrer beschäftigt. Ich war nur eine von vielen.«
»Stimmt, aber waren die Kinder nicht gerade Ihnen besonders zugetan? Der Zar hat ein Loblied auf Sie gesungen, nachdem eine seiner Töchter in den Parkanlagen von Schloss Peterhof mit Ihrer Hilfe vor dem Ertrinken gerettet wurde. Wie nannte er Sie noch gleich – ›seinen irischen Glücksbringer‹? Obwohl ich mir die Einschätzung erlaube, dass Sie als Republikanerin nicht gerade eine Anhängerin der Monarchie sind.«
Lydia verlor allmählich die Geduld. »Bringen Sie mich wieder auf mein Zimmer, Boyle. Ihre Geschichten sind ermüdend!«
Sie stand auf, doch Boyle drückte sie
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