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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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sie mit Wodka vermischt, sodass eine wässrige, bräunlich schimmernde Mixtur entstanden war. Und wenn ihm das Laudanum doch einmal ausging, rauchte er eine Zigarette nach der anderen und trank Unmengen an Tee und Kaffee.
    Doch sogar Kaffee und Zigaretten wurden durch die Rationierung knapp. Sorg drückte mit der Pipette ein paar Tropfen auf das Zahnfleisch im Unterkiefer und schraubte den Verschluss wieder auf die Flasche. Dann massierte er die Tinktur mit dem Zeigefinger kräftig in das Zahnfleisch ein.
    Wenige Minuten später fiel die Unruhe von ihm ab.
    Er sah Anastasias Bild vor Augen, und seine Gedanken kehrten zu ihrer letzten Begegnung zurück.

33. KAPITEL
    Zarskoje Selo
    Sorg würde diesen Tag niemals vergessen. Er hatte sich wie eine tiefe Wunde in sein Gedächtnis gebrannt.
    Fast vier Monate lang hatte er jeden Mittwochnachmittag den Zug nach Zarskoje Selo genommen und war um kurz vor vier vor dem Palasttor gestanden.
    Die Wachen überprüften, wie jeden Tag, seine Papiere – Sorgs Passierschein, der einen Stempel mit dem Romanow-Wappen trug, und einen Brief, in dem stand, dass er vom Zaren als Klavierlehrer angestellt worden war. Ein Diener des Palastes begleitete ihn über den Innenhof und ein paar Stufen hinauf zu den Privatgemächern der Familie.
    Zwei Stunden saßen er und Anastasia dann auf zwei Hockern vor dem Klavier, in einem kalten Raum des Palastes mit Holzfußboden.
    Die Familie lebte bescheiden. Sorg erfuhr, dass der Zar nichts davon hielt, dass seine Kinder ein leichtes Leben führten. Sie schliefen auf harten Betten und waren verpflichtet, täglich einige Arbeiten zu übernehmen.
    Trotz Anastasias Enthusiasmus entdeckte Sorg schon nach einer Klavierstunde, dass sie eine entsetzliche Schülerin war. Sie zog es vor, ihn mit Grimassen, dem Tratsch, der im Palast kursierte, und Neuigkeiten über ihre Familie und andere Verwandte zu unterhalten. Auf diese Weise erfuhr Sorg immer etwas, das er in seine Berichte schreiben konnte.
    »Ich habe mich entschieden«, verkündete Anastasia, nachdem Sorg ihr einen Monat lang Klavierstunden gegeben hatte. »Ich habe nicht das Talent zu einer guten Musikerin. Aber das können wir doch für uns behalten, nicht wahr, Philip? Ich genieße Ihre Gesellschaft sehr. Das Leben ist so langweilig hier. Meine Schwestern sagen, dass wir niemals ein normales Leben führen werden. Es ist so, als würde man in einem goldenen Käfig leben. Wir kommen fast nie hier raus.«
    Bei ihrem nächsten Treffen legte sie einige neue Regeln fest. »Bitte nennen Sie mich nicht Prinzessin oder Großfürstin. Ich hasse Formalitäten. Nennen Sie mich einfach Anastasia, und ich nenne Sie Philip. Wie gefällt Ihnen das?« Sie verstummte kurz und fuhr dann fort. »Erzählen Sie mir mehr über Amerika. Meinen Sie, es würde mir dort gefallen?«, fragte sie ihn und legte eine Hand auf seinen Arm. Ihre Finger fühlten sich an wie Samt.
    Er ließ sich von ihrer guten Stimmung immer mitreißen, doch an jenem Nachmittag spürte er, dass etwas anders war als sonst.
    In Sankt Petersburg hatte die ganze Woche über Chaos geherrscht. Die Regierung befand sich in Aufruhr, und überall sah man Truppen. Als sich Sorg am folgenden Tag dem Wachposten näherte, fielen ihm die Soldaten auf, die sich auf dem gesamten Grundstück des Palastes aufhielten. Nachdem er seine Papiere vorgelegt hatte, durfte er passieren. Doch es begleitete ihn niemand, und so schlenderte Sorg allein zu dem Innenhof mit der Treppe, die zu den Privatgemächern der Zarenfamilie führte.
    Ein älterer Palastoffizier mit einem Monokel hielt ihn auf. »Was tun Sie hier?«, fragte er.
    »Ich werde erwartet.« Sorg zeigte ihm seinen Passierschein und den Brief.
    Der Offizier spähte durch sein Monokel auf die Dokumente, als handelte es sich um altes Zeitungspapier. »Es gibt keinen Klavierunterricht mehr. Damit ist es jetzt vorbei. Haben Sie die Nachricht nicht gehört? Der Zar hat abgedankt. Er steht unter Hausarrest.«
    So ist das also. Jetzt hatte er endlich Klarheit. Seit Tagen kursierten in Sankt Petersburg Gerüchte, der Zar würde möglicherweise abdanken. Sorg wurde urplötzlich von der Angst überwältigt, dies könnte seine letzte Gelegenheit sein, Anastasia zu sehen. »Wenn Sie ein Mitglied der Zarenfamilie rufen würden, werden sie sicherlich …«
    Der Offizier schickte sich an, seinen Revolver zu ziehen. »Sind Sie taub?«
    »Nein, bitte! Tun Sie ihm nichts!«
    Mit einem braunen Lederbeutel in der Hand eilte Anastasia die

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