Operation Romanow
Stufen hinunter. Sie trug ein einfaches Musselinkleid, eine Perlenkette, schwarze Schuhe und weiße Strümpfe. »Bitte, dieser Herr ist mein Lehrer, und ich muss unter vier Augen mit ihm sprechen«, sagte sie und warf dem Offizier einen flehentlichen Blick zu. »Ich danke Ihnen, dass Sie so gütig sind, es zu erlauben.«
Besänftigt durch ihre Schmeicheleien salutierte der Offizier. »Wie Sie wünschen, Großfürstin. Bleiben Sie aber bitte auf dem Hof, damit ich Sie sehen kann.«
»Ich wusste, dass Sie kommen, und ich habe schon auf Sie gewartet. Papa hat gehört, dass wir vielleicht in den Ural gebracht werden, daher wollte ich mich verabschieden.«
Als sie durch den hinteren Teil der Gärten spazierten, erblickte Sorg den Zaren. Er trug seinen alten Waffenrock und den passenden Hut dazu und schob einen Rollstuhl, in dem sein schwerkranker Sohn Alexej, der Zarewitsch, saß. »Warum in den Ural?«
»Sie meinen, dort sei es sicherer für uns, wer auch immer sie sein mögen. Mama macht sich große Sorgen, dass es so weit entfernt ist und wir dort keinen guten Arzt für Alexej haben werden. Er ist doch so krank.«
»Hat der Offizier nicht gesagt, wir sollen in der Nähe bleiben?«
Anastasia lächelte, als sie ihn zu einem kleinen Garten mit einem Steinbrunnen führte, wo der Offizier sie nicht sehen konnte. Sie schwenkte den Lederbeutel, den sie in der Hand hielt, pflückte eine Blume und erfreute sich an ihrem Duft. In diesem Augenblick fiel Sorg auf, dass sie noch nie sein leichtes Hinken kommentiert hatte.
»Sie meinen das alte Schielauge? Er weiß, dass ich mich nicht an die Vorschriften halte, aber er würde deshalb niemals Krawall machen. Ich wollte jedenfalls, dass wir miteinander sprechen.«
Als sie zu einer Bank kamen, bedeutete Anastasia ihm, sich zu setzen. »Ich werde Sie nicht wiedersehen können, und Ihre Freundschaft und die Gespräche mit Ihnen werden mir fehlen. Es tut mir leid, dass ich so eine entsetzliche Schülerin war, Philip.«
»Ich habe schon schlechtere kennengelernt, doch noch nie jemanden, der so unterhaltsam war.«
»Wirklich? Ihre Besuche haben immer dazu beigetragen, die Monotonie zu durchbrechen.« Sie kicherte. »Maria findet die Förmlichkeiten hier so schlimm, dass sie den Palast am liebsten in Brand setzen würde. Was werden Sie tun? Bleiben Sie in Russland?«
»Das kommt darauf an, ob sich die Lage verschlimmert.«
»Glauben Sie, es wird noch schlimmer?«
»Ich fürchte, ja. Wie behandeln die Wachen Ihre Familie?«
»Ganz gut. Warum?«
»Diese Regierung wird nicht immer an der Macht bleiben, Anastasia. Es könnten andere an die Macht gelangen, vielleicht wütendere Menschen, die Ihrem Vater schaden wollen.«
»Ich habe zufällig gehört, dass meine Mutter das zu meinem Vater gesagt hat. Papa meint, das wird nicht passieren, denn die russische Bevölkerung würde es niemals zulassen.« Sie musterte Sorg intensiv. »Papa hat immer auf Gott vertraut. Er sagt, dass er Russland niemals verlassen wird. Er liebt dieses Land. Ich verstehe nicht, warum irgendjemand meinen Vater hassen könnte. Er ist ein so freundlicher, liebenswerter Mann.«
»Nicht alle denken so. Einige glauben, dass er in der Vergangenheit furchtbares Unrecht begangen hat.«
»Ich bin nicht dumm, Philip. Ich habe Leute über diese Dinge sprechen hören, vor allem die Palastwachen. Sie haben gesagt, Papa habe zugelassen, dass sehr schlimme Dinge passieren. Einige Menschen nennen ihn ›den blutrünstigen Nikolaus‹. Wie denken Sie darüber?«
Diese Frage traf Sorg vollkommen unvorbereitet. Einerseits wollte er Anastasia beschützen, aber dennoch konnte er die bittere Wahrheit nicht verbergen. »Darf ich ehrlich sein?«
»Natürlich.«
Sorg erzählte ihr alles. Als er verstummte, herrschte Schweigen. Schockiert presste sich Anastasia eine Hand auf den Mund und kämpfte mit den Tränen. »Ich … ich nehme an, Sie müssen meinen Vater hassen für das, was er Ihrer Familie angetan hat.«
»Eine Zeit lang habe ich es getan.«
Anastasia dachte kurz nach. »Ich zweifle nicht an Ihren Worten. Dennoch liebe ich ihn. Ich weiß, dass er versucht, ein besserer Mensch zu sein. Das tun wir alle. Maria sagt, wir begehen alle Sünden, aber Kaiser können größere Sünden begehen als die meisten anderen. Und meine Mama sagt immer, wir sollen anderen gegenüber rücksichtsvoll sein. Wir sollen zuletzt an uns selbst denken und immer ein liebendes Herz zeigen. Aber sagen Sie mir: Hassen Sie mich auch?«
»Wie
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