Operation Sahara
musterte Giordino die Tür. Sie war gut vier Zentimeter dick, und an der Innenseite befand sich kein Griff, sondern nur das Schlüsselloch. »Diesen Ausgang werden wir nicht benutzen, es sei denn, wir könnten einen Schlüssel klauen.«
»Das ist kein Zugang für die Arbeiter«, erklärte Pitt. »Der ist für O’Bannion und seinen Hofstaat reserviert.«
»Dann müssen wir einen neuen Ausweg finden. Offensichtlich transportieren sie das Erz durch einen anderen Schacht nach oben.«
Pitt warf einen nachdenklichen Blick auf die Tür. »Nein, ich glaube, das wird nicht gehen. Wir nehmen entweder diesen Fahrstuhl, oder wir kommen hier nicht wieder raus.«
Bevor Giordino antworten konnte, drangen vom entgegengesetzten Ende des Stollens das Surren eines Elektromotors und das klackernde Geräusch von Stahlrädern auf Schienen an ihr Ohr. Eine kleine Elektrolokomotive, die einen langen Zug leerer Loren hinter sich herzog, tauchte auf und hielt an.
Eine Negerin stieß sich vom Fahrersitz und blieb vor den beiden Männern stehen.
Pitt hatte noch nie eine Frau gesehen, deren Körper fast so breit wie lang war. Sie war, dachte er, das häßlichste Weib, das ihm je unter die Augen gekommen war. Sie hätte einen trefflichen Wasserspeier abgegeben, wie man ihn von den Dachüberhängen mittelalterlicher Kathedralen her kannte. In der einen Hand hielt sie einen schweren Lederriemen, der aussah, als sei er ein Teil von ihr. Ohne ein Wort zu sagen, trat sie auf Pitt zu.
»Ich bin Melika, Vorarbeiterin in den Minen. Man gehorcht mir, ohne zu fragen. Hast du das verstanden?«
Pitt lächelte. »Ist für mich eine ganz neue Erfahrung, von jemandem Befehle entgegenzunehmen, der mich an eine Kröte mit Gewichtsproblemen erinnert.«
Er sah, wie der Lederriemen durch die Luft pfiff, doch es war zu spät, sich zu ducken oder den Schlag abzuwehren. Er traf ihn an der Schläfe. Sterne flimmerten vor seinen Augen, und er taumelte zurück, bis er mit dem Rücken gegen einen Stützbalken stieß. Der Schlag hatte ihn mit einer solchen Wucht getroffen, daß er fast ohnmächtig geworden wäre.
»Scheint so, daß heute jeder auf mir rumprügelt«, stieß Pitt schmerzhaft stöhnend hervor.
»Eine Nachhilfestunde im Gehorchen«, knurrte sie. Dann schleuderte sie mit einer raschen Bewegung den Riemen rückhändig gegen Giordinos Kopf. Doch sie war nicht schnell genug. Anders als Pitt war er vorgewarnt. Mit eisernem Griff fing er ihr Handgelenk ab und hielt es in der Luft fest.
Melika hatte die Kraft eines Ochsen. Nie hätte sie sich vorstellen können, daß ein Mann derart fest zupacken könnte. In ihren aufgerissenen Augen lag zuerst Überraschung, dann Ungläubigkeit und zum Schluß Wut. Mit seiner anderen Hand entwand Giordino ihr den Lederriemen, so wie man einem Hund den Stock wegnimmt, und warf ihn in eine der Loren.
»Du Dreckschwein«, zischte sie. »Dafür wirst du büßen.«
Giordino schürzte die Lippen und warf ihr einen Kuß zu.
»Haß-Liebe-Beziehungen sind die besten.«
Seine Vorwitzigkeit kam ihm teuer zu stehen. Er bemerkte nicht die plötzliche Veränderung in ihrem Blick, wie sie den Fuß hob und ihm ihr Knie in die Hoden rammte. Giordino ließ ihr Handgelenk los, knickte ein, fiel zur Seite und wand sich stumm vor Schmerzen.
Melika grinste satanisch. »Ihr Dummköpfe habt euch in eine Hölle verbannt, wie ihr sie euch nicht vorstellen könnt.« Sie schnappte sich ihren Lederriemen, deutete auf eine leere Lore und sagte nur:
»Rein!«
Fünf Minuten später hielt der Zug mit den Erzloren an und fuhr dann rückwärts in einen Stollen. Die an den Holzstempeln angebrachten Lampen verloren sich im dunklen Schatten der Tiefe. Dies sah nach einem neuen Abbau aus. Männerstimmen übertönten den Lärm des Zuges, und einen Moment später flackerte hinter der nächsten Biegung das Licht von Helmlampen auf. Die Männer wurden von Tuaregwachen mit Peitschen und Gewehren angetrieben und sangen mit müden, rauhen Stimmen. Es handelte sich um Neger, einige gehörten zu den Stämmen im Süden, andere zu den Wüstenstämmen.
Zombies in alten Horrorfilmen wirkten gesünder als diese armen Teufel. Sie bewegten sich langsam, schlurfend. Die meisten trugen alte, zerrissene Shorts. Ihre Körper waren schweißüberströmt und mit Gesteinsstaub überdeckt. Ihre schimmernden Augen und die Rippen, die deutlich hervortraten, verrieten, daß sie Hunger litten. Alle trugen Spuren von Peitschenhieben, und einer ganzen Reihe fehlten Finger. Ein paar
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