Operation Sahara
Sie uns wohl kaum in Ihr Büro eingeladen.«
Massarde dachte darüber nach und lächelte verhalten. »Nein, wahrscheinlich nicht. Da haben Sie ganz recht.«
Pitt nahm einen Füllfederhalter aus einem antiken Tintenfaß, schrieb ein paar Zeilen auf einen Block, riß das Blatt ab, stand auf und reichte es Massarde. »Sie können die Rechnung an diese Adresse schicken. Ich habe die Unterhaltung mit Ihnen genossen, doch wir sind sehr in Eile.«
Massardes Hand tauchte mit einer kleinen Automatik aus der Tasche auf. Er richtete die Mündung auf Pitts Stirn. »Ich muß darauf bestehen, daß Sie bleiben und meine Gastfreundschaft genießen, bevor ich Sie den Sicherheitsbehörden von Mali überstelle.«
Giordino wurde mit roher Kraft auf die Beine gestellt. Ein Auge schwoll schon zu, und ein dünner Blutfaden sickerte aus einem Nasenloch. »Wollen Sie uns in Ketten legen?« fragte er Massarde.
Der Franzose musterte Giordino wie einen Bären im Zoo. »Ja, ich glaube, es ist besser, wenn Sie gefesselt werden.«
Giordino sah Pitt an. »Siehst du«, murmelte er dumpf, »ich hab’s dir gesagt.«
21
Sandecker betrat wieder den Konferenzraum im NUMA-Gebäude und nahm Platz. Er wirkte optimistischer als noch vor zehn Minuten. »Sie leben«, stellte er knapp fest.
Am Tisch, dessen Fläche von einer großen Karte der westlichen Sahara und mit Berichten der Nachrichtendienste über das Militär und die Sicherheitskräfte Malis bedeckt war, saßen zwei Männer. Sie sahen Sandecker an und nickten beifällig.
»Dann machen wir mit der Rettungsaktion weiter wie geplant«, stellte der ältere der beiden klar. Der Mann hatte straff zurückgekämmtes graues Haar, harte, topasfarbene Augen und ein großes rundes Gesicht.
General Hugo Bock war ein weitblickender Mann, der auch dementsprechend plante: Ein Soldat mit bemerkenswerten Fähigkeiten, für Sondereinsätze wie geschaffen. Bock war Kommandeur einer kaum bekannten Einheit mit dem Namen UNICRATT, eine Abkürzung für United Nations International Critical Response and Tactical Team. Die Gruppe setzte sich aus Angehörigen von neun Nationen zusammen, gut ausgebildeten, extrem motivierten Kämpfern, die geheime Einsätze im Namen der UN durchführten, die der Öffentlichkeit niemals bekannt wurden. Bock hatte in der Bundeswehr eine bemerkenswerte Karriere gemacht und war in Ländern der Dritten Welt als Berater ein vielbeschäftigter Mann gewesen, der Regierungen seine Dienste während revolutionärer Unruhen oder Grenzstreitigkeiten gerne zur Verfügung stellte.
Sein Stellvertreter, Colonel Marcel Levant, war ein hochausgezeichneter Veteran der französischen Fremdenlegion.
Er sah aus wie ein Aristokrat aus dem vergangenen Jahrhundert.
Levant hatte die Kadettenanstalt von Saint Cyr besucht, überall in der Welt Dienst getan, und war aus dem kurzen Wüstenkrieg gegen den Irak im Jahre 1991 als Held zurückgekehrt. Er besaß ein intelligentes, beinahe schönes Gesicht. Obwohl er fast 36 Jahre alt war, erweckten seine schlanke Gestalt, die langen, braunen Haare, ein dichter, perfekt gestutzter Schnurrbart und seine großen, grauen Augen den Eindruck, als habe er gerade an der Universität sein Examen gemacht.
»Wissen Sie, wo Ihre Männer stecken?« wandte sich Levant an Sandecker.
»Ja«, erwiderte Sandecker. »Der eine versucht sich an Bord eines Flugzeugs in Gao zu schmuggeln. Die anderen beiden befinden sich auf einem Hausboot auf dem Niger, das Yves Massarde gehört.«
Als Levant den Namen hörte, sah er überrascht auf. »Ah, ja, der Skorpion.«
»Ist Ihnen der Mann bekannt?« fragte Bock.
»Nur sein Ruf. Yves Massarde ist ein international erfolgreicher Unternehmer, der ein Vermögen zusammengerafft hat, das auf annähernd zwei Milliarden Dollar geschätzt wird. Er hat den Spitznamen Skorpion, weil eine Reihe seiner Konkurrenten und Geschäftspartner auf mysteriöse Weise verschwunden sind und er auf diese Art und Weise Alleineigentümer mehrerer großer lukrativer Unternehmen wurde. Er steht im Ruf, absolut rücksichtslos zu sein, und ist der französischen Regierung ein Dorn im Auge. Eine schlechtere Gesellschaft hätten Ihre Freunde sich kaum aussuchen können.«
»Ist er kriminell?« fragte Sandecker.
»Das ist ziemlich sicher. Doch er hinterläßt keine Beweise, die später vor Gericht gegen ihn verwandt werden könnten. Freunde bei Interpol haben mir erzählt, seine Akte sei einen Meter dick.«
»In der Sahara gibt’s so viele Menschen«, murmelte Bock,
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