Operation Zombie
noch die Wellen, die sie umwarfen und entweder an Land zurück spülten oder ins Meer hinauszogen. Einer wurde gegen einen Felsen geschleudert, seine Brust aufgerissen, gebrochene Rippen bohrten sich durch das Fleisch. Schwarzer Schaum quoll ihm aus dem Mund, während er heulte und immer weiter versuchte, zu uns zu gelangen, in unsere Richtung zu gehen, zu kriechen. Dann kamen mehr, ein Dutzend auf einmal; binnen weniger Minuten stapften über hundert in die Brandung. Und so war es überall, wo wir an die Oberfläche kamen. Die vielen Flüchtlinge, die das Pech gehabt hatten, dass sie es nicht aufs offene Meer hinaus schafften, bildeten jetzt eine tödliche Barriere an jedem Küstenabschnitt, den wir besuchten.
Haben Sie je versucht, eine Gruppe an Land zu bringen?
[Schüttelt den Kopf.] Zu gefährlich, noch schlimmer als die infizierten Schiffe. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass unsere einzige Chance darin bestand, Erde auf einer Insel vor der Küste zu finden.
Aber Sie müssen doch gewusst haben, was aus den Inseln der Welt geworden war.
Sie wären überrascht. Als wir unsere Patrouillenstation im Pazifik verlassen hatten, beschränkten wir unsere Fahrt auf den Atlantik oder den Indischen Ozean. Wir hatten Funksprüche von diesen Fleckchen Land aufgefangen und viele davon optisch in Augenschein genommen. Wir erfuhren von der Übervölkerung, der Gewalt ... wir sahen die Mündungsfeuer der Kanonen auf den Inseln im Winde. In jener Nacht konnten wir an der Oberfläche den Rauch riechen, der von der Karibik aus nach Osten zog. Und wir hörten von Inseln, denen es nicht so gut ergangen war. Die Kapverden vor der Küste des Senegal, die sahen wir noch nicht einmal, als wir schon die Schreie hörten.
Zu viele Flüchtlinge, zu wenig Disziplin; ein einziger Infizierter genügt ja auch schon. Wie viele Inseln blieben nach dem Krieg unter Quarantäne gestellt? Wie viele gefrorene nördliche Felsklippen sind nach wie vor brandgefährliche Weiße Zonen? Die Rückkehr in den Pazifik schien unsere einzige Möglichkeit zu sein, aber das würde uns sozusagen wieder vor die Schwelle unseres Heimatlandes führen. Und wir wussten immer noch nicht, ob uns die chinesische Marine jagte oder ob es überhaupt noch eine chinesische Marine gab. Wir wussten nur, wir brauchten Vorräte und sehnten uns nach Kontakt mit anderen Menschen. Es dauerte einige Zeit, bis wir den Kapitän überzeugt hatten. Der wollte als Allerletztes eine Konfrontation mit unserer heimischen Marine.
Er stand immer noch loyal zur Regierung?
Ja. Und dann gab es da noch eine ... persönliche Angelegenheit.
Persönlich? Inwiefern?
[Er weicht der Frage aus.] Sind Sie je in Manihi gewesen?
[Ich schüttle den Kopf. ]
Man kann sich kein besseres Idealbild eines tropischen Vorkriegsparadieses vorstellen. Flache, mit Palmen bedeckte Inseln oder »Motus«bilden einen Ring um eine seichte, kristallklare Lagune. Es war einer der wenigen Orte auf der Welt, wo echte schwarze Perlen gezüchtet wurden. Ich kaufte meiner Frau ein Paar, als wir in unseren Flitterwochen Tuamotus besuchten, daher besaß ich Wissen aus erster Hand, was dieses Atoll zu unserem logischen Ziel machte.
Manihi hatte sich vollkommen verändert, seit ich ein frisch verheirateter Fähnrich gewesen war. Die Perlen waren fort, die Austern aufgegessen, Hunderte kleiner Privatboote drängten sich in der Lagune. Die Motus selbst waren mit Zelten oder primitiven Hütten überzogen. Dutzende improvisierter Kanus verkehrten zwischen dem äußeren Riff und dem runden Dutzend der größeren Schiffe, die im tieferen Wasser vor Anker lagen. Die ganze Szene war typisch für das, was Historiker heute den »Pazifischen Kontinent« nennen, die Flüchtlingsinselkultur, die sich von Palau bis Französisch-Polynesien erstreckte. Das war eine neue Gesellschaft, eine neue Nation, Flüchtlinge aller Nationen, die sich unter der gemeinsamen Flagge des Überlebens zusammenschlossen.
Wie integrierten Sie sich in diese Gesellschaft?
Durch Handel. Handel war die tragende Säule des Pazifischen Kontinents. Wenn man ein Boot hatte, das über eine große Destille verfügte, verkaufte man frisches Wasser. Wenn es eine Werkstatt hatte, wurde man Mechaniker. Die Madrid Spirit, ein Tanker, der flüssiges Erdgas transportierte, verkaufte seine Fracht für Kochstellen. Dadurch kam Mister Song die Idee für unsere »Marktnische«. Er war Kommandeur Songs Vater, ein Hedgefonds-Broker aus Schenzan. Er kam auf die Idee,
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