Operation Zombie
»Alle Pässe melden sicher. Over!« Träume ich, dachte ich, oder habe ich den Verstand verloren? Der Affe half mir auch nicht bei dieser Entscheidung. Er saß auf dem Kleinbus und sah nur zu, wie die Untoten in den Tod stürzten. Sein Gesicht wirkte so abgeklärt, so intelligent, als würde er die Situation wirklich verstehen. Ich wünschte mir fast, dass er sich zu mir umdrehen und sagen würde: »Das ist der Wendepunkt des Krieges! Wir konnten sie endlich aufhalten! Endlich sind wir in Sicherheit!« Aber stattdessen fuhr er seinen kleinen Penis aus und pinkelte mir ins Gesicht.
Heimatfront USA
Taos, New Mexico
[Arthur Sinclair Junior ist das Inbild eines Aristokraten aus der Alten Welt: groß, schlank, mit kurzgeschnittenem weißem Haar und einem affektierten Harvard-Akzent. Er spricht ins Leere, stellt selten einmal Blickkontakt her oder unterbricht seinen Redefluss für eine Frage. Während des Krieges war Mister Sinclair Direktor des neu gegründeten Ministeriums für Strategische Ressourcen, kurz DeStRes (Department of Strategie Ressources).]
Ich weiß nicht, wer sich die Abkürzung »DeStRes« ausdachte oder ob jemandem auffiel, welche Ähnlichkeit sie mit »distress«, also »Notfall«, hatte, aber sie hätte kaum zutreffender sein können. Die Einrichtung einer Verteidigungslinie an den Rocky Mountains hätte theoretisch eine »sichere Zone« schaffen können, aber in der Praxis bestand diese Zone überwiegend aus Geröll und Flüchtlingen.
Es gab millionenfach Hunger, Krankheiten, Obdachlosigkeit. Die Industrie war weitgehend zerstört, Transportmittel und Handel existierten praktisch nicht mehr, und zu alledem kamen noch die lebenden Toten, die die Linie an den Rockies angriffen und innerhalb unserer sicheren Zone schwärmten. Wir mussten unsere Leute wieder auf die Beine bekommen - Kleidung, Nahrung, Unterkunft, Arbeit -, andernfalls würden wir mit dieser sicheren Zone nur das Unvermeidliche hinausschieben. Darum wurde das DeStRes gegründet, und ich musste, wie Sie sich gewiss vorstellen können, eine Menge an Ausbildung nachholen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Informationen ich in den ersten Monaten in diesen verwitterten alten Schädel hineinzwängen musste; die Besprechungen, die Rundreisen ... Wenn ich schlafen ging, dann mit einem Buch unter dem Kissen, jede Nacht mit einem anderen, von Henry J. Kaiser bis zu Vo Nguyen Giap. Ich brauchte jeden Gedanken, jedes Wort, jedes Quäntchen Wissen, um aus dieser in Trümmern liegen den Landschaft eine moderne amerikanische Kriegsmaschinerie zu formen. Hätte mein Vater noch gelebt, hätte er vermutlich über meine Frustration gelacht. Er war ein erfolgreicher Händler am Neuen Markt gewesen und hatte als Controller für den Raum New York eng mit dem FDR zusammengearbeitet. Er griff auf Methoden zurück, deren Charakter beinahe marxistisch war, die Art von Verstaatlichung, bei der Ayn Rand gewiss aus dem Grab gesprungen wäre, um sich in die Ränge der Toten einzureihen. Ich hatte seine Lektionen immer verabscheut und war bis an die Wall Street geflohen, um ihnen zu entrinnen. Jetzt zermarterte ich mir den Kopf, um mich daran zu erinnern. Eines hatten die Händler am Neuen Markt besser beherrscht als jede andere Generation in der Geschichte Amerikas, nämlich die richtigen Werkzeuge und Talente aufzuspüren und mit ins Boot zu nehmen.
Werkzeuge und Talente?
Ein Ausdruck, den mein Sohn einmal in einem Film gehört hatte. Ich fand, dass er auch auf unsere Wiederaufbauversuche ziemlich gut passte. Offen gestanden befand sich unser Vorrat an Talenten auf einem kritischen Tiefstand. Wir hatten es mit einer nachindustriellen, dienstleistungsbasierten Ökonomie zu tun, die so komplex und hoch spezialisiert war, dass jedes Individuum nur in den engen Grenzen seiner integrierten Struktur funktionieren konnte. Sie hätten einige der »Berufsbezeichnungen« sehen sollen, die bei unserer ersten Umfrage angegeben wurden; jeder war in irgendeiner Version »leitender Angestellter«, »Repräsentant«, ein »Analyst« oder »Berater«, alle perfekt für die Welt vor dem Krieg geeignet, aber vollkommen unzureichend für die aktuelle Krise. Wir brauchten Zimmerleute, Maurer, Maschinenbauer, Waffenschmiede. Natürlich hat ten wir diese Leute, aber nicht annähernd so viele, wie erforderlich gewesen wären. Aus der ersten Arbeitsmarktumfrage ging deutlich hervor, dass über 65 Prozent der aktuellen werktätigen Bevölkerung als F-6 eingestuft wurden, was
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