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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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Es mußte auch welche geben, denen der Geringste uneingeschränkt vertraute. Aber wer waren diese ganz Eingeweihten? Gehörte Feilböck dazu? Ja, vermutlich war Feilböck dabei. Aber vielleicht auch der Polier. Wenn der dem Geringsten erzählte, ich sei der Ansicht, er würde mir mißtrauen, wäre das nicht in Wirklichkeit der schlagendste Beweis für mein Mißtrauen?
    Es war ratsam, die Spielregeln einzuhalten. Über den Geringsten zu sprechen hätte bedeutet, irgend etwas an ihm in Frage zu stellen. Es gab nichts in Frage zu stellen. Alles war gut so, wie es war. Wir waren mit allem einverstanden. Wir hatten es selbst so gewollt. Abgesehen davon, hatten wir geschworen, nirgendwo, und wenn wir uns noch so sicher fühlten, Harmagedon und den Geringsten auch nur zu erwähnen.
    Wir sprachen vor allem von früher und davon, wie es wäre, wenn wir noch die alten sein könnten. Irgendwie, ohne daß dies offen ausgesprochen wurde, schien jeder von uns zu bedauern, daß es mit dem Gürtelputzen vorbei war. Wir mußten zuschauen, wie die Braunhäute von Tag zu Tag frecher wurden. In den Gasthäusern am Gürtel, aber auch hier in der Mariahilferstraße. Sie konspirierten, und sie nahmen sich einfach, was sie brauchten.
    Wir hatten noch nicht ganz aufgehört zu trinken, aber immerhin den Alkoholkonsum auf einen gespritzten Wein beim Mittagessen reduziert. Ob sich jemand von uns, wenn er am Abend allein war, noch zusätzlich, so wie früher, ein paar Biere gönnte, konnte ich nicht wissen. Ich jedenfalls hielt mich an die Abmachung.
    Einmal kamen wir beim Mittagessen in Hochstimmung. Der Polier sagte in Anspielung auf ein eben gegründetes Regierungskomitee gegen neonazistische Umtriebe: »Wir sollten ein Komitee zur Resozialisierung braunhäutiger Ladendiebe gründen und dem Kaufhaus unsere Dienste anbieten.«
    Der Blade aß gebackenen Seefisch und spann den Gedanken weiter. »Man müßte uns«, sagte er, »im zweiten Kellergeschoß dieses Kaufhauses Arbeitsräume einrichten. Mit zehn Prozent der Summe, die sich das Kaufhaus durch unsere segensreiche Tätigkeit ersparen würde, wären wir voll zufrieden.«
    »Eine super Idee«, sagte Pandabär. »Zuerst würden wir die ertappten Braunhäute fragen, ob sie Hunger hätten, denn nur bei Hunger sei es ihnen erlaubt zu stehlen. Wenn so eine angeschissen dastehende Braunhaut die Frage bejahte, würden wir sie zwingen, das gesamte Diebsgut zu fressen.«
    »Bevor du nicht alles gefressen hast, samt Verpackung, darfst du das Haus nicht verlassen, würden wir sagen«, meinte der Blade. »Friß, würden wir brüllen, und der Braunhaut die Käsescheiben, den Nagellack und den Kugelschreiber ins Maul stecken. Was sie nicht fressen könnte, würden wir ihr hinunterstopfen, und wenn es eine lange Eisenfeile, eine Raspel oder ein Schraubenschlüssel wäre.«
    Wir kamen in Fahrt und bestellten einen zweiten Wein. Wir malten uns weiter aus, was wir alles täten, wenn wir noch die alten aus Rappottenstein wären. Wir würden der Braunhaut die Hände zurückbinden und ihr den Mund aufreißen. Dann würden wir ihr mit voller Wucht die Feile, die Raspel oder den Schraubenschlüssel in die Speiseröhre rammen und den Mund zudrücken, bis das Blut aus der Nase herausquillt. Messer und andere spitze Gegenstände würden wir der Braunhaut auf direktem Weg durch die Bauchdecke einverleiben. Weiblichen Braunhäuten würden wir gestohlenes Besteck Stück für Stück in die Möse stoßen und am Schluß die Schamlippen mit Gabelzinken zusammenklemmen. Bei sperrigen Gegenständen würden wir der Braunhaut den Bauch aufschlitzen, Bücher, CDs, Walkmen, Gameboys und Bohrmaschinen gut in die Scheiße einbetten und wieder zunähen. In Radiorecorder würden wir vorher noch eine Kassette einlegen und auf volle Lautstärke drehen. »Fertig«, würden wir dann sagen, »du kannst jetzt gehen. Sollte es bei der Ausgangskontrolle piepsen, sag schöne Grüße von uns. Dein Bauch gehört dir.«
    Wir waren vielleicht zwei Wochen beim Apollo-Kino beschäftigt, da kam der Lange einmal während des Essens zu unserem Tisch und flüsterte: »Da hinten.«
    »Wer? Was?« fragten wir. Er wies mit dem Kopf zu einem Tisch beim Fenster. Dort saß Feilböck. Er beachtete uns nicht. Abwechselnd blickte er in eine Zeitung, die er neben dem Teller liegen hatte, und zum Fenster hinaus. Darüber schien er beinahe das Essen zu vergessen. Er saß am anderen Ende des Raumes, im Rayon einer Kollegin des Langen. Später bestellte er noch

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