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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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»habt Ihr gehört, was los ist? Da darf man die Kollegen nicht allein lassen. Ich muß sofort zum Opernball.«
    »Wir wurden gerade von den Göttern persönlich instruiert«, sagten wir. »Von Reso Dorf, vom Sicherheitsdirektor, von Major Leitner und von Hübler.«
    »O Gott, o Gott, und ich war nicht dabei«, antwortete er. »Hat jemand nach mir gefragt?«
    Ich erzählte ihm die Bedeutung meines Fingerfundes, und wie wichtig es gewesen wäre, wenn ich den Fall weiter verfolgt hätte. Das war ihm sichtlich unangenehm. Er sorgte sich um seinen Ruf: »Du hast doch nicht etwa behauptet, daß ich die Untersuchung behindert habe?«
    Ich konnte ihn beruhigen. Viel Zeit hatten wir nicht, um ihm alles zu berichten. Er mußte zur Effektenabteilung fahren und sich seinen Frack abholen.
    In unserer Ahnungslosigkeit sagten wir damals: »Zum Ball drinnen die Kommandanten, zur Schlacht draußen die Untergebenen. Das haben sie sich fein ausgedacht.«

Zurück in die alte Welt
     
    Rote Klumpen mit gelben, schmierigen Patzen. Dazwischen weiße Splitter. Zerrissenes Fleisch. Kleidungsfetzen. Dann ein abgetrennter Fuß, gezoomt. Schwenk zu einer zugedeckten Blutlache. Jemand hebt das Papier. Darunter ein Kopf mit einer Schulter und einem Oberarmstummel. Großaufnahme der offenen Augen. Schnitt. Schwarz gekleidete Frauen heulen, stützen einander. Schnitt. Weinendes Gesicht in Großaufnahme. Schnitt. Kinder mit Kalaschnikovs, vor der Kamera posierend.
    Immer wieder nur das. Ich hätte solche Szenen nicht oft genug drehen können. Tote, Verwundete, Schreiende, Trauernde, Schießende und Kinder. Am liebsten weinende, blutende oder bewaffnete Kinder. Die Welt konnte nicht genug haben von guten Kriegsdokumentationen. Nicht diese üblichen Aufnahmen hinter den Linien, in denen man Detonationen hört und irgendwo in der Ferne Rauchfähnlein aufsteigen sieht. Im Vordergrund steht meist ein Korrespondent mit kugelsicherer Weste. Er erklärt, daß trotz des vereinbarten Waffenstillstands geschossen werde. Wer damit begonnen habe, sei aber schwer festzustellen. Das war der gewöhnliche Live-Einstieg in eine Nachrichtensendung. Nie hatte jene Seite zu schießen begonnen, die dem Korrespondenten eine kugelsichere Weste verpaßt und ihn zum Standort der Kamera gebracht hatte. ETV zahlte mir nicht den vierfachen Lohn der BBC, damit ich ihnen Allerweltsbilder lieferte. Von mir wollte man den wirklichen Krieg in Großaufnahme. Und sie bekamen ihn.
    Mostar und Sarajewo, diesen beiden Städten habe ich es zu verdanken, daß meine neue Position bei ETV unanfechtbar wurde. Ich flog mit einem Kameramann und einem Tontechniker nach Zagreb. Dort wurden wir dem Leiter einer Sondereinheit vorgestellt. Die einzelnen Teile seiner Uniform stammten von verschiedenen Armeen, als hätte er die Restposten bei einem Trödler aufgekauft. Er sprach ein Gastarbeiterdeutsch mit bayrischem Akzent. Verben benutzte er prinzipiell nur im Infinitiv: »Ich genehmigen nur zwei Mann.«
    So ließen wir den Kameramann in Zagreb zurück. In zwei Nachtfahrten wurden wir, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe österreichischer und deutscher Söldner, ins Kampfgebiet von Mostar gebracht. Unser Quartier war ein Franziskanerkloster. Ich durfte die Söldner nicht filmen. Aber ich tat es trotzdem. Dafür wurde schließlich das Teleobjektiv erfunden. Die Söldner waren schlicht Naziburschen, keiner von ihnen älter als zwanzig. Sie waren gekommen, um dem alten Freund Kroatien gegen den alten Feind Serbien beizustehen. Nun kämpften sie in Mostar aber nicht gegen Serben, sondern gegen bosnische Muslime. Diese verzwickte Lage schien ihren Haß nur noch zu steigern. Alles, was sich bewegte, wurde niedergemacht. Hätte ich ihnen gesagt, daß mein Vater Jude ist, ich hätte die nächste Minute nicht mehr erlebt. Einen von ihnen filmte ich aus großer Entfernung, als er einem moslemischen Mädchen eine Granate schenkte. Er lachte das Kind an und ging in schnellen Rückwärtsschritten aus dem Bild. Ich wollte ihm schon mit einem Schwenk folgen, da kam mir der Gedanke, er könnte den Ring gezogen haben. Das Kind schaut auf die Granate in seiner Hand und weiß nicht recht, was es damit tun soll. Im nächsten Augenblick wird es zerrissen.
    Ich schwor mir damals, diesen Burschen vor Gericht zu bringen. Doch die Chancen, daß er noch lebt, sind äußerst gering. Meines Wissens ist es nur einem einzigen Söldner aus dieser Gruppe, einem österreichischen Nazibuben, gelungen, rechtzeitig zu flüchten. Die

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