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Opernball

Opernball

Titel: Opernball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Haslinger
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der Bunker hier, der als letzter gekommen ist, arbeitet in einem Schallplattengeschäft. Aber wer ist der hier?«
    Er zeigte auf einen Mann mit Hut, der mit einem Arm voll Holzscheiten kam, die er auf den Haufen warf.
    »Der Mormone!« flüsterte ich zu meinem einführenden Kollegen hinüber. Der fand auch, daß er ihm ähnlich sehe. Schließlich sagte er es: »Der schaut aus wie ein Mormone, der auf dem Karlsplatz missioniert.« Auch der Kommandant von der Wachstube Karlsplatz wollte eine frappierende Ähnlichkeit sehen. Das Problem waren die Haare. Der Mormone hatte lange Haare, der Mann mit Hut allerdings kurze.
    »Vielleicht hat er die Haare in den Hut gesteckt«, meinte der Kommandant von der Wachstube Karlsplatz. Dann fragte er: »Ihr habt doch die Burschen verhört. Was sagen sie?«
    »Daß sie ihn nicht kennen«, sagte Reso Dorf. »Sie behaupten unisono, der Mann sei am Nachmittag gekommen, weil er von einem Sonnwendfeuer gehört habe. Er wollte mithelfen. Sie gaben an, er habe sich als George vorgestellt. Er sei ein Ire. Die Leute von Rappottenstein erzählten, daß er nicht gut deutsch gekonnt und meistens mit der Lehrerin englisch gesprochen habe. Der Hauptschullehrerin hat er offenbar die Augen verdreht. Auch sie behauptet, er sei ein Ire gewesen, der zufällig vom Feuer gehört habe. Er hat ihr vorgeschwafelt, daß diese Tradition aus Irland kommt.«
    »Dennoch«, sagten wir. »Er hat eine Ähnlichkeit mit Steven Huff, dem Mormonen vom Karlsplatz.«
    »Danke«, sagte Reso Dorf. »Danke. Das ist ja mehr, als wir erwarten konnten.«
    Für einen Moment stand Reso Dorf mitten in einem hoch auflodernden Feuer, dann war das Video weg, und das Saallicht wurde aufgedreht.
    Reso Dorf verschränkte die Hände zum Gebet. »Also«, sagte er betont ruhig, »dann mitten hinein in die Scheiße. Es kann hunderttausend Gründe geben, warum dieses Gespenst vor eineinhalb Jahren beim Sonnwendfeuer war. Dennoch: Alarmstufe eins für die Fahndung nach dem Mormonen. Sofortige Inhaftierung aller ehemaligen Volkstreuen. Darüber hinaus habe ich mit dem Sicherheitsdirektor vereinbart: Alle Postenkommandanten gehen in Zivil zum Opernball. Frackausgabe in der Effektenabteilung. Herr Sicherheitsdirektor?«
    Der Alte erhob sich. »Wir müssen natürlich alles tun, was getan werden kann«, sagte er. »Vor allem wegen des ausländischen Hinweises auf die irakische Waffenlieferung. Damit wir nicht nachher dastehen und haben nicht alles getan, was getan werden konnte. Wenn wir wenigstens wüßten, welche Waffen das sein sollen. Wir konnten nicht die geringste Spur sicherstellen. Vielleicht ist alles nur ein Sturm im Wasserglas. Aber wie gesagt: Wir müssen tun, was getan werden kann.«
    »Wie hoch ist das Risiko?« fragte ein Kollege.
    »Bin ich der liebe Gott?« antwortete Reso Dorf. »Letztes Jahr hatten wir die Warnung vom Fetzenfinger und das Sonnwendfeuer. Wir waren mit dreihundert Zivilisten auf dem Opernball. Nichts war. Die angeblich Entschlossenen sind bis heute unauffindbar geblieben. Heuer haben wir den Rache-Aufruf der Kameltreiber und den Hinweis auf den irakischen Waffentransfer, eigentlich eine ganz andere Spur. Der Fetzenfinger-Hinweis sieht immer mehr nach einer Sackgasse aus. Dennoch: Feilböck ist verschwunden, und die irakische Lieferung muß irgendwo gelandet sein. Beißen wir also die Zähne zusammen, und stürzen wir uns in die Scheiße. Morgen können wir einander erzählen, ob es gestunken hat.«
    Die Besprechung schloß mit allgemeinem Gelächter. Als wir uns erhoben, schlugen die Sitzflächen der Klappsessel nach hinten. Mitten in diesem Krach ging die Tür auf, und herein kam Hübler, der Polizeipräsident. Er trug Galauniform und salutierte. Wir nahmen Haltung an und salutierten ebenfalls.
    »Ruhen!« sagte Hübler. Wir nahmen die Hände wieder herunter. Er gab ein Kommando aus: »Alle verfügbaren Dienstkräfte sammeln sich um acht Uhr dreißig hier im Paradehof der Rossauer Kaserne. Die Journaldienste sollen herumtelefonieren. Wer erreichbar ist, muß kommen. Wir können keinen Aufruf im Fernsehen machen, sonst wird die Situation noch weiter angeheizt. Heute nacht sind die Wachstuben nur mit je einem Journaldienst besetzt. Das müssen wir riskieren.«
    Sagte es, und weg war er. Als mein einführender Kollege und ich wieder in unserer Wachstube eintrafen, waren die Arschficker schon fort. Dafür war der Postenkommandant da. Er drückte gerade auf die Fernbedienung.
    »Kinder«, rief er, als er uns sah,

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