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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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protestieren, aber Rivetthob die Hand und starrte ihn unverhohlen feindselig an. Zum zweiten Mal an diesem Morgen sah Gray ein Bündel über die Hafenmauer fallen, und die Worte blieben ihm im Hals stecken.
    *
    »Was ist das, Corrine?«
    Ihr saß ein Mann gegenüber, der mit einem dicken Zeigefinger auf das Buch mit schwarzem Ledereinband tippte, das zwischen ihnen lag.
    Corrine wand sich auf dem Metallstuhl, wobei die Handschellen weh taten, mit denen ihre Arme hinter dem Rücken gefesselt waren. Der Raum schwamm vor ihr.
    »Weißnich«, murmelte sie.
    »Doch, das weißt du, Corrine«, widersprach der Mann. Die Stimme kam ihr bekannt vor, genauso wie seine große, bärenartige Gestalt. Aber Corrine wusste nicht, woher. Als hätte ihre Erinnerung einen Kurzschluss gehabt. Sie wusste nur noch, wie Darren vor ihr die Düne hinuntergegangen war und etwas gesagt hatte, was sie nicht hatte hören können. Wie in einem Stummfilm.
    »Deine Mum hat mir gesagt, dass das hier dein Zauberbuch ist«, setzte der Mann fort.
    Corrine runzelte die Stirn, der Schatten einer Erinnerung zeichnete sich in ihrem Kopf ab.
    »Deine Mum hat mir sogar den Altar gezeigt, an dem du deine Zauber sprichst.«
    Die Stimme des Mannes beruhigte sie. Corrine schloss die Augen und konzentrierte sich wieder auf den Film mit Darren, der sich in ihrem Kopf abspielte. Wo sie war, wie lange schon und warum – das kümmerte sie alles noch nicht.
    Plötzlich zuckte ihr ein gezackter rot-schwarz-weißer Blitz durch den Kopf. Die Eibe auf dem Friedhof. Noj mit ausgestreckten Armen tief unter ihr. Sie riss wieder die Augen auf.
    »Kommt dir das bekannt vor, Corrine? Hast du es nur wegen dem ganzen Hokuspokus getan?«, hakte die Stimme nach.
    Corrine fiel etwas ein. »Ich wollte nur, dass sie weggeht«, sagte sie in einem zerbrechlichen Flüstern.
    »Wie bitte?« Der Mann lehnte sich vor, sein Gesicht kam näher, und sie konnte es besser sehen. Irgendwie kamen ihr seine Augen bekannt vor …
    »Ich wollt’ doch keinem wehtun«, versicherte Corrine. »Der Zauber wurde zurückgeworfen, und …«
    In dem Moment kam alles zurück. Wie Darren die Düne hinab in den Bunker gegangen war. Der schreckliche Schrei, der die Luft zerriss, als sie ihm nachlief, aber zu spät kam. Wie sie über seine Leiche gestolpert und ins Blut gestürzt war und Sam mit dem Betonklotz in der Hand gesehen hatte …
    »Es tut mir so leid!«, schrie Corrine und fiel nach vorne. Sie wurde von Schluchzern geschüttelt und schleifte den Stuhl über den Boden. »Es tut mir so leid!«
    Rivett stellte den Rekorder ab.
    »Das reicht«, sagte er.
    *
    Alf Brown wartete mit den Tatortfotos bei Rivett im Büro. Jetzt sah Rivett sich die Überreste von Darren Moorcock genauer an als am Tatort selbst. Er betrachtete das Pentagramm aus Blut.
    »So langsam müssen wir die Presse anrufen«, beschloss er. »Wo ist der Kollege, der sie festgenommen hat?«
    *
    Gray sprach gerade in einem überfüllten Verhörraum mit einem der Gäste aus dem Swing’s, die sie bei der von Rivett angeordneten Razzia am Mittag hochgenommen hatten. Harvey Bunton beharrte mit langsamer, wohlüberlegter Aussprache darauf, dass er über nichts und niemanden Bescheid wisse, vondem Gray redete. Gray konnte sich kaum auf diese Posse konzentrieren und hatte immer wieder die Wolke schwarzer Fliegen vor Augen.
    »Paul«, sagte Roy Mobbs hinter ihm. »Der Chef sagt, du sollst hochkommen.«
    *
    Gray stand neben Rivett auf den Stufen der Wache und drehte sich von den Kameras und den Fragen weg, die Rivetts Haus- und Hof-Journalist Sid Hayles vom Mercury stellte. Er hatte sich über die Helligkeit gewundert, als er aus den Verhörräumen nach oben gekommen war.
    »Ich komme gerade vom Verhör der Verdächtigen«, sagte Rivett. »Sagen Sie Ihren Lesern, dass sie heute Nacht wieder sicher schlafen können, die Missetäterin ist in Gewahrsam und hat gerade ein umfassendes Geständnis abgelegt. Wir müssen nur noch mit einigen ihrer Vertrauten sprechen, bevor wir die Einzelheiten herausgeben.«
    Gray schluckte bei dem Versuch, das alles zu verarbeiten.
    »Sagten Sie Missetäter in ?« Hayles riss die Augen auf.
    Rivett lächelte düster. »Brauchen Sie ein Hörgerät, Sid? Das wär’s fürs Erste, meine Herren …«
    Auf der anderen Straßenseite stieg Sheila Alcott aus ihrer verbeulten Ente und schob sich die Haare aus dem verhärmten, blassen Gesicht. Einen Augenblick kreuzten sich ihre Blicke, aber dann packte Rivett Gray an der Schulter und

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