Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
Vom Netzwerk:
hatte es an der Tür kratzen hören und öffnete sie ein Stück weit. »Ooh.« Als sich eine Schnauze durch den Spalt schob, hockte Corrine sich hin, um den Hund zu streicheln. »Was für ein süßer, kleiner Kerl.«
    »Quatsch«, rief hinter ihr Sam mit eiskalter Stimme. »Das ist ’n neugieriges kleines Biest.«
    Als ein Schuh auf ihn zuflog und vom Türrahmen abprallte, jaulte Noodles auf und sprang wieder nach draußen.
    »Was …?« Der Schuh streifte Corrine an der Schulter, und vor Schreck schlug sie die Tür zu.
    »Ha! Das hat die kleine Ratte davon!« Samantha lachte.
    »Was ist hier los?« Als Edna die Treppe hinaufgestiegen war, hatte sie gerade noch gesehen, wie sich ein Spitzenhandschuh nach Noodles ausstreckte, der davor zurückschreckte, über den Flur raste und sich unter ihrem Bett verkroch. Als sie Sammy kreischen hörte, eilte sie los und hörte, als sie die Tür aufriss, ihre eigene schrille Stimme.
    Dort starrte Corrine sie mit großen, erschrockenen – und für Edna eindeutig schuldigen – Augen an.
    »Was hast du mit meinem Hund gemacht?«, fragte Edna.
    »Gar nichts!«, protestierte Corrine.
    »Lüg doch nicht!« Edna ließ ihrer aufgestauten Wut freien Lauf. »Er ist hier gerade herausgerast, als wär der Teufel hinter ihm her! Was hast du …«
    »Oma!« Samantha sprang auf. Edna starrte die nuttige Gestalt an, die da mit der Stimme ihrer Enkelin sprach.
    »… gemacht?« Das letzte Wort blieb Edna fast im Hals stecken.
    Den Rest wartete Corrine nicht ab. »Ich muss los«, sagte sie und ergriff schnell ihre Tasche.
    »Nein, warte!«, rief Sam ihr hinterher.
    Corrine schaute sich kurz um. »Wir sehn uns in der Schule!« Sie schlüpfte an der alten Frau vorbei, rannte die Treppe hinunter und, bevor sie jemand schnappen konnte, zur Tür hinaus.
    »Was sollte das denn?«, giftete Samantha ihre Großmutter an.
    *
    Corrine war schon die halbe Marine Parade entlanggerannt, als sie Seitenstiche bekam und langsamer wurde, sich aber immer noch alle zehn Sekunden nervös umsah. Tja, das war’s dann wohl , dachte sie. Da werd ich bestimmt nicht mehr eingeladen. Die Angst vor einem Anschiss trieb sie an, so weit wie möglich von Sams Haus wegzukommen, und sie joggte noch, bis sie die schützende Promenade erreicht hatte. Wenn jemand wütend wurde, wartete Corrine nicht lange ab. Ihrer Erfahrung nach war Flucht immer noch die beste Verteidigung.
    Als sie bei den Spielhallen ankam, war die Angst der Traurigkeit gewichen. All die schönen Sachen waren wohl verloren. Gott sei Dank hatte sie die Schminkpalette eingesteckt, bevor das Ganze passiert war.
    Über dem Eingang ins Mint hing eine Uhr. Halb acht. Drinnen ließ sie den Blick durch den Raum schweifen. Keiner da, den sie kannte. Sie wühlte in der Hosentasche nach Geld. Fand so gut wie nichts.
    Sie steckte ein paar Pennys in eins der Spielgeräte. Die Maschine schluckte nur und lachte sie mit elektronischem Trillern und Pfeifen aus.
    Jetzt machte Corrine sich Sorgen. Die Saison war zwar vorbei, aber ihre Mum würde trotzdem Probleme machen, wenn sie mit leeren Händen nach Hause kam. Corrine musste an die fünf Pfund denken, die Sam einfach so bekommen und einfach so ausgegeben hatte. Sie konnte ihre eigene Dummheit kaum fassen, dass sie geglaubt hatte, sie könnte alles an den Einarmigen Banditen zurückgewinnen.
    Sie lehnte sich an die Maschine und zählte langsam durch, wie wenig sie noch hatte. Dann bemerkte sie den Mann, der sie ansah. Magen und Herz wurden ihr bleischwer.
    *
    Corrine kam unter dem Trafalgar Pier hervor und ging direkt zu den öffentlichen Toiletten auf der anderen Seite der Marine Parade. In einer graffitibeschmierten Kabine, die nach Pisse stank, lehnte sie sich über die Kloschüssel und kotzte Cupcakes, Eis und das, was sie zuletzt geschluckt hatte. Sie würgte und spuckte, versuchte, den Geschmack loszuwerden. Bevor sie zu den Waschbecken und dem Trinkbrunnen ging, schaute sie nach, ob sie den grünen Schein noch in der Tasche hatte.
    Draußen lehnte sie sich eine Weile an die Wand und zündete sich eine JPS an. Ein Mann huschte aus der Herrentoilette, den Blick gesenkt, die Hände in den Manteltaschen. Ein paar Sekunden später erschien jemand anders im Eingang, lehnte sich an den Türrahmen und kreuzte die Beine. Rauch umwaberte ihn wie Seenebel. Er führte seine Zigarette zum Mund, die für einen Moment die grünen Augen hinter den dichten, langen, schwarzen Haaren beleuchtete.
    »Reenie«, flüsterte er. Sein Akzent

Weitere Kostenlose Bücher