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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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gestaltete. Aber die Augen unter seinen buschigen Brauen waren immer noch hart und scharf wie Flintstein.
    »Das kann ich verstehen.« Sean öffnete die Hände mit derselben Geste wie schon bei Dr. Radcliffe. »Ich kann mir meine Arbeit heutzutage leider nicht mehr aussuchen.«
    »Wessen Geld Sie annehmen wohl auch nicht«, scherzte Rivett.
    »Nein.« Sean zuckte die Schultern. »Aber mir geht es ehrlich gesagt nicht ums Geld. Das hier ist der erste Auftrag seit Langem, der mir wie richtige Arbeit vorkommt. Man hat es nicht leicht, wenn man einen Job aufgeben muss, den man liebt.«
    Rivett nickte, und sein Blick wurde weicher. »Ich weiß, was Sie meinen, Junge. Wirklich. In Ihrem Alter ist es sicher noch viel schlimmer.«
    Er hob einen Finger, worauf ein Kellner herankam.
    »Was darf’s sein? Ich kann Ihnen heute ganz besonders das T-Bone-Steak empfehlen.«
    »Dann nehme ich es«, erwiderte Sean und schlug die Speisekarte zu. »Blutig.«
    »Braver Junge«, sagte Rivett. »Zweimal das Übliche, Terry«, forderte er den Kellner auf. »Und reichlich Mineralwasser.« Er zwinkerte Sean zu. »Wir brauchen einen klaren Kopf, wenn wir diese schreckliche alte Sache aufrollen wollen.«
    »Genau«, erwiderte Sean und zog die Akte aus der Tasche. »Das sind die Unterlagen, wenn Sie sie sich mal anschauen wollen …«
    Rivett warf den Ordner verächtlich auf den Sessel neben sich. »Wir wollen uns doch nicht den Appetit verderben, oder? Mal im Ernst« – er schenkte ihnen beiden Wasser ein –, »washalten Sie davon? Was meinen Sie, warum die Sie auf die alte Geschichte ansetzt?«
    »Mathers?«, fragte Sean. »Tja, eigentlich bin ich mit dem Arzt in der Anstalt einer Meinung. Für Corrine Woodrow wäre es am besten, wenn sie dort bliebe. Bloß hat Mathers neue DNA-Spuren auf Beweisstücken vom Tatort gefunden. Das heißt nicht, dass Woodrow unschuldig ist, aber es beweist, dass noch jemand anders da war und ihr vielleicht geholfen hat. Steht alles da drin.« Sean nickte auf die Akte.
    »Tatsächlich?« Rivett zog eine Augenbraue hoch, wirkte ansonsten aber kaum überrascht.
    »Ja. Die Laborergebnisse können uns aber nicht sagen, wer es war. In der Police National Database wird die Person nicht geführt, also ist sie entweder seitdem sauber geblieben oder weilt vielleicht gar nicht mehr unter uns.«
    Rivett kratzte sich am Kinn. »Interessant.«
    »Und ich bin hier, weil ich herausfinden soll, wer diese Person gewesen sein könnte«, setzte Sean fort. »Deshalb wollte ich fragen, ob Sie sich an jemanden erinnern können, der passen würde. Sie waren damals für den Fall zuständig und haben ihn bis zur Verurteilung durchgebracht. Sie wissen, wer ihre Freunde und Bekannten waren. Mathers konnte ein paar Überlebende ihres alten Kreises auftun, Schulfreunde. Die haben einer Speichelprobe zugestimmt und sich dadurch entlastet – die Namenliste ist auch in der Akte. Das sind aber nur eine Handvoll Leute. Ich muss die finden, die noch fehlen. Vielleicht suchen wir jemand Älteren, einen Bekannten ihrer Mutter vielleicht. Ich weiß, dass die Sache lange her ist, ich erwarte auch keine Wunder, aber wenn Sie einfach darüber nachdenken …«
    »Terry.« Rivett sah auf, als der Kellner mit einem Servierwagen zurückkam und ihnen die weißen Porzellanteller mit den dicken T-Bone-Steaks hinstellte. Während Terry ihnen Pommes frites, Pilze und Tomaten neben das Fleisch häufte, ließ sich ein Ausdruck karnivorer Zufriedenheit auf den Zügen des alten DCI nieder. »Sehr gut«, urteilte er. Der Kellner stelltenoch einen Gewürzständer und ein paar Saucenflaschen hin und schob dann wieder respektvoll ab.
    Rivett tränkte seinen Teller in HP-Sauce.
    »Sieht gut aus«, sagte Sean.
    »Sie kriegen in der ganzen Stadt nichts Besseres«, erwiderte Rivett. »Gucken Sie mal.« Er schnitt sein Steak an, und das Blut floss heraus. »Wenn die hier blutig sagen, heißt es auch blutig. Das gibt’s nicht mehr oft.«
    »Tja«, sagte Sean und griff nach dem Ketchup, »man hat’s eben oft mit blutigen Anfängern zu tun.«
    »Ha!« Rivett freute sich sichtlich. »Sie sind wie ich, was, Junge? Immer erst mal aufs Bauchgefühl hören. Wir kommen miteinander aus, glaub ich.« Er nickte und kaute genussvoll.
    Sean saß offensichtlich einem Mann gegenüber, der glücklich über diese Flucht aus dem untätigen Ruhestand war und ein Ziel genauso nötig hatte wie er selbst.
    »Was steht denn sonst noch so in Ihrer Akte?« Rivett gestikulierte mit einer

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