Opfere dich
dauern, die Auswertung der Spuren im Labor noch länger. Zudem war sie hundemüde, und Landon Manning mit seiner arroganten Art ging ihr gehörig auf die Nerven. Er schaute ihr nicht nur auf die Finger, sondern auch ständig auf den Po. Gehörte das zu seiner Masche, um sie nervös zu machen, damit sie einen gravierenden Fehler beging und das FBI den Fall übernehmen konnte? Wenn sie sich ihm gegenüber doch nicht so provinziell fühlen würde! Aber vielleicht war sie auch einfach nur erschöpft.
Schon als sie auf dem PD ihren Bericht schrieb, fielen ihr fast die Augen zu. Sie hatte zwei Nächte kaum geschlafen. Das machte sich nun bemerkbar. Doch als sie abends zu Hause auf ihrer Wohnzimmercouch mit einer Schüssel Cornflakes saß, die sie sich an der Tankstelle samt einer Packung Milch gekauft hatte, brachte sie keinen Bissen herunter. Sie war über ihren toten Punkt hinaus und hellwach vor Übermüdung.
Sie zündete sich eine Lucky Strike an und schaute sich um. Alles war wie immer. Sie war allein. Nach dem Tohuwabohu am Tatort kam es ihr in ihrem Haus fürchterlich still vor. Es war ihr, als hätten die Ermittlungen in ihrem Heim sie aus einer Art Alltagstrance aufgeweckt, und sie stellte bedrückt fest, dass sie kein Privatleben mehr hatte, schon länger nicht. Einsamkeit machte ihr Herz schwer. Sie konnte ja nicht einmal angerufen werden, weil sie ihr Telefon zerstört hatte und kein privates, sondern nur ein Diensthandy besaß. Ihr Personenschutz, zwei Beamte des PD vor ihrer Tür, sorgten zwar dafür, dass sie sich etwas sicherer fühlte, aber auch einsamer und von der Welt abgeschnitten.
Was für eine jämmerliche Existenz, dachte sie und nahm einen Zug am Glimmstengel. Sie war erst zweiunddreißig Jahre alt, und alle Lebensfreude war vor einem Jahr mit Gil verschwunden. Um den Trennungsschmerz zu überwinden, aber auch aus Ehrgeiz, hatte sie sich in den Wachsmörder-Fall verbissen. Sie hatte ihre Freunde vernachlässigt, so dass sie kaum noch anriefen, niemand kam sie besuchen, und sie sagte achtzig Prozent aller Einladungen ab, weil der Fall ihre ganze Aufmerksamkeit brauchte.
„Der Killer hat mich bereits isoliert, das ist nicht gut“, sagte sie zu sich selbst und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, obwohl sie nur einmal daran gezogen hatte.
Schwungvoll stand sie vom Sofa auf, griff ihre Handtasche und fuhr zum Shoppingcenter. Sie kaufte zwei große Tüten Lebensmittel ein, besorgte sich ein neues Festnetztelefon und ging bei einer Zoohandlung vorbei. Wieder zu Hause, hatte sie ein Kätzchen, Katzentoilette, Katzenstreu und -futter, Kratzbaum und einen Tragekorb erstanden. Ein Haustier war immerhin ein Anfang, oder? Leider war Moon – so nannte sie das schwarze Kätzchen mit der weißen Pfote – sofort unter das Bett geflüchtet und seither nicht mehr herausgekommen, aber Storm hatte so tief und fest geschlafen wie schon lange nicht mehr.
Am Morgen belegte sie sich ein Käse-Schinken-Sandwich mit Tomate und Mayonnaise, und während sie aß, beobachtete sie Moon, die, angelockt vom Duft des Katzenfutters, endlich den Mut fand, ihr Versteck zu verlassen.
Man muss nur den richtigen Anreiz schaffen, damit jemand seine Angst überwindet, dachte Storm und hoffte, dass der Killer nie einen Köder auswerfen würde, dem sie nicht widerstehen konnte. Natürlich wollte sie die Frauen von Fort Twistdale vor einem Seriensexualtäter schützen, aber sich selbst zu opfern würde ihn nicht für immer stoppen. Seine Gier würde erst verstummen, wenn man ihn hinter Gitter brachte – oder tötete.
Ihr Blick fiel auf die Küchenuhr. Sie war spät dran, aber Malcolm würde ihr verzeihen, wenn er hörte, dass sie ausgeschlafen und endlich ein richtiges Frühstück zu sich genommen hatte. Storm schluckte den letzten Bissen ihres Sandwiches herunter, zog schnell ihren Parka über und eilte aus dem Haus.
Ihre Nachbarin holte gerade die Iona County News aus der Zeitungsrolle, die unter dem Briefkasten am Grundstückseingang hing. „Guten Morgen.“ Martha Brewster winkte mit der eingerollten Tageszeitung. „Hat er schon ein Geständnis abgelegt?“
„Wer?“ Storm blieb gezwungenermaßen in ihrem Vorgarten stehen.
„Der Klinkenputzer“, sagte Ms. Brewster und klemmte die Zeitung unter ihre Achsel.
Storm schüttelte ihren Kopf. „Wie mussten ihn gehen lassen. Er hat ein Alibi, seine Identität stimmt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er mit dem Fall in Verbindung steht.“
„Das kann ich nicht
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