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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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ja.“
    Ein junger Mann drängte seinen Kopf vor die Kamera und grölte: „Opfere dich für die Frauen von Fort Twistdale, Harper. Wir denken auch jedes Jahr am Memorial Day an dich.“ Seine Augen leuchteten glasig in die Kamera. Er musste betrunken sein, vermutete Storm.
    „Sie könnte damit ein Zeichen für Selbstcourage setzen“, meldete sich ein hagerer Mann zu Wort, der nur halb im Bild zu sehen war und nervös seine Brille zur Nasenwurzel hochschob. „Fort Twistdale würde im Ansehen Amerikas steigen.“ Als die Kamera zu ihm herumschwenkte, ging er rasch weiter.
    Im Hintergrund hörte man eine männliche Stimme. Sie tobte: „Da gibt es eine Person, die dem Grauen ein Ende machen könnte, und sie tut nichts. So viele junge, hübsche Frauen mussten sterben. Sie mussten durch die Hölle gehen. Für sie war der Tod die Erlösung. Ist das nicht traurig? So sollte es nicht sein. Nein, filmen Sie mich nicht. Ich will nicht gefilmt werden. Die Cops werden den Killer nie kriegen. Aber Harper kann dem Spuk ein Ende machen. Worauf wartet sie? Hat sie kein Herz? Sie wird in die Hölle kommen. Ja, das wird sie. Egoistisches Miststück!“
    Entsetzt schaltete Storm den Fernseher aus. Ihre Augen waren feucht. Ihr Körper bebte. Sie fingerte eine Lucky Strike aus der Packung und zündete sie an. Tief inhalierte sie den Rauch. Die Stille in ihrer Wohnung schmerzte fast. Moon hatte sich irgendwo verkrochen. Es gab keine Ablenkung. Stimmen in Storms Kopf schimpften. Sie machten sie fertig. Vorwürfe prasselten auf sie ein. Sie war am Ende.
    Vor Aufregung wurde ihr übel von der Zigarette. Sie drückte sie im Aschenbecher aus und blieb wie erstarrt sitzen. Storm war schockiert. Das, was sie gerade gesehen und gehört hatte, konnte ja wohl nicht wahr sein. Man hatte sie zum Sündenbock gestempelt, auf den nun alle ihre Wut und ihre Ängste projizierten. Der Sender musste die schlimmsten Kommentare zusammengefasst haben, weil man nur mit Skandalen Quote machen konnte.
    Sie erinnerte sich an eine Live-Übertragung eines anderen Nachrichtensenders, der stundenlang die Landeversuche eines defekten Passagierflugzeugs gezeigt hatte. Kaum war der Flieger auf dem Boden und nichts Schlimmes passiert, ging man zur Tagesordnung über, weil eine sichere Landung langweilig war. Bei der Nachrichtensprecherin war sogar eine gewisse Enttäuschung spürbar gewesen. Storm erinnerte sich gut. Sie hatte sich angewidert gefühlt. Das Gleiche empfand sie jetzt auch, nur war das Gefühl intensiver, denn sie war selbst betroffen.
    Die Situation schien zu kippen. Man empfand kein Mitleid mehr mir ihr, sondern sie spürte Ablehnung. Würde Commissioner Lombard sie auf einer Pressekonferenz zu den Medien sprechen lassen? Storm musste ihnen verständlich machen, dass sie ein Mensch aus Fleisch und Blut war, wie sie auch. Eine Frau, die Gefühle besaß. Die nicht aus Stein war. Keine Schachfigur, die man eben mal so opfern konnte. Der Serienmörder würde nicht aufhören zu töten, so viel stand fest. Aber das sahen die Bewohner von Fort Twistdale nicht. Sie sahen nur eine Chance, ihre Töchter und Ehefrauen zu schützen.
    Als ihr Handy klingelte, schrak sie zusammen. Es lag neben der Zigarettenpackung auf dem Couchtisch. Storms Puls beschleunigte sich. Hatte die Presse ihre berufliche Mobilnummer herausbekommen?
    Storm wollte den Anrufer gerade wegdrücken, als sie den Namen im Display las. Jasper Harper. Sie meldete sich: „Hallo, Dad.“
    „Hast du die News gesehen?“ Er klang atemlos. „Das musst du dir anschauen.“
    Sie bemühte sich, ruhig zu klingen, aber ihre Worte kamen immer gepresster heraus. „Hab ich schon. Die Medien bauschen alles auf. Sie stellen mich an den Pranger, dabei habe ich mich keines Vergehens schuldig gemacht. Ich bin nicht der Täter.“ Sie brauchten jemanden, den sie hassen konnten, jemand Konkretes, keinen Schatten ohne Gesicht wie den Wachsmörder. Die Emotionen verschoben sich von einer Person auf die andere. Und Storm war der große Verlierer dabei. Zumindest so lange, bis sie den Killer fassten.
    „Das darfst du dir nicht bieten lassen“, zischte er. „Geh dagegen an. Verklage sie.“
    „Wen? Alle TV-Sender, alle Printmedien, Online-Zeitungen, den Hörfunk …?“ Und jeden zweiten Bürger der Stadt, fügte sie frustriert in Gedanken hinzu.
    „Du musst dich von dem Fall zurückziehen. Er zieht dich runter. Du verlierst noch deinen guten Ruf durch den Killer. Seit fast zwei Jahren seid ihr ihm keinen Schritt

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