Opfere dich
Sache mit den Hundehaaren wissen sie noch nicht Bescheid, und das wird vorerst auch so bleiben, damit sie uns bei den Ermittlungen nicht in die Quere kommen.“
„Aber warum ich? Bin ich nicht selbst ein Opfer? Die Medien jedoch sehen mich fast als Mittäterin an. Das ist doch krank!“
„Sie wollen dich nur reizen, damit du dich endlich ihren Fragen stellst“, sagte er und schaltete die Scheibenwischer eine Stufe höher. „Genauso wie der Killer dich provozieren will, indem er das Foltervideo an die Medien geschickt hat.“
Wenn es denn der Wachsmörder war. Storm dachte an den gekränkten Manning, dem sie diesen Schachzug als Racheakt zutraute. Oder waren die beiden ein und dieselbe Person? Storm wischte sich einige Regentropfen von der Stirn. Da sie ihre Kapuze noch trug, tröpfelte Wasser von der Krempe. Aber sie wollte sie nicht zurückschieben, weil einige Reporter immer wieder auf der Nebenspur zum Beifahrerfenster auffuhren und Fotos schossen. Die Lichtblitze schmerzten in ihren geschwollenen Augen.
„Es tut mir leid für den Bockmist.“ Benhurst sagte das beiläufig, ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen. Es regnete so stark, dass die Gullys das Wasser nicht mehr fassen konnten und es über die Straße floss, so dass die Verfolgungsjagd der Presseleute nicht ungefährlich war.
„Ist schon okay.“
„Ich habe schlampig gearbeitet“, gab er kleinlaut zu. „Es wird nicht wieder vorkommen.“
Storm sah, dass das Seitenfenster beschlug, und war froh über den zusätzlichen Schutz. Sie kam sich wie eine Prominente vor, die von Paparazzi verfolgt wurde. Und das war sie ja auch: ein bekanntes Gesicht wider Willen. Ihr Foto prangte auf jeder Zeitung im Land. Ihr Name wurde täglich in den Nachrichten genannt. Es war grauenhaft! Einzig das Touristenzentrum von Fort Twistdale freute sich vielleicht über höhere Besucherzahlen, weil jeder Amerikaner nun die Kleinstadt auf der Lower Peninsula Michigans kannte. Ob die Mitarbeiter des Zentrums schon heimlich eine Tour zusammenstellten, die die Feriengäste an die Orte des Verbrechens führte? Es profitierte meist nicht nur die Presse von einem Verbrechen.
Benhurst brachte sie unbehelligt aufs Polizeirevier. Die Soko „Wachsmörder“ traf sich im Besprechungsraum, wo sie am Vortag auf einer Straßenkarte alle Vereine und Geschäfte, die etwas mit Hunden zu tun hatten, markiert hatten. Es waren erschreckend viele. Die Züchter hatten sie schon abgearbeitet. Storm würde mit Malcolm die Hundesalons, die Hundebäckerei und einen Homöopathen für Hunde in Fort Twistdale übernehmen, während die Kollegen die beiden Hundeboutiquen und die vielen Kleintierärzte abklapperten.
Den ganzen Vormittag liefen Storm und Malcolm sich die Hacken wund. Ohne Ergebnis. Sie schüttelten ihre Köpfe über die Lady, die sie soeben in ihrer Praxis aufgesucht hatten. Sie bot neben Hundepsychologie auch Homöopathie und Reiki für Hunde an. Was es nicht alles gab! Die beiden Detectives lernten Fort Twistdale von einer ganz neuen Seite kennen. Ihr nächstes Ziel war die einzige Hundebäckerei in der Stadt. Noch ein Kuriosum.
Als sie wieder im Wagen saßen, raufte sich Storm ihre kurzen dunklen Haare. „Wenn noch einer heute sagt: ,Ich kenne Sie doch. Sie sind doch die Dings aus dem Fernsehen‘, schreie ich.“
Malcolm lachte und fuhr aus der Parklücke am Straßenrand. „Du bist jetzt eine nationale Berühmtheit.“
„Und was zur Hölle soll mir das bringen, außer Scherereien?“ Da ihr Handy nicht stillstand, hatte sie eine neue Nummer zugeteilt bekommen. Um ungesehen aus dem Revier zu gelangen, schmuggelte Malcolm sie im Fußraum seines Autos aus der Garage, bis sie weit genug entfernt waren, sonst hätten sie einen Rattenschwanz von Verfolgern gehabt.
„Sobald wir einen brauchbaren Hinweis auf den Täter haben, kannst du die Bevölkerung um Mithilfe bitten. Du hast die Macht, die Massen zu mobilisieren, Storm“, versuchte er sie aufzubauen und bog an der nächsten Kreuzung nach rechts ab. „Dir hören alle wie gebannt zu. Sie sind auf jedes Wort von dir scharf. Das hat der Killer zwar nicht unbedingt beabsichtigt, aber du könntest es zu deinem Vorteil nutzen.“
Der gute Malcolm war immer so zuversichtlich. Storm konnte den Entwicklungen allerdings nur wenig Positives abgewinnen. „Bis jetzt haben wir nur Hundehaare. Als ob uns die auch nur einen Schritt näher an den Wachsmörder bringen könnten.“ Sie räusperte sich und sah aus dem Fenster. „Wir
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