Opfere dich
nicht immer um dasselbe Schoßhündchen, sondern um acht verschiedene.“
Da war ein Gefühl in ihr, das sie fahrig machte. Als brauchte sie nur noch ein weiteres Puzzleteil, und das Ganze würde endlich ein Gesamtbild ergeben. Dabei sah es momentan so aus, als wäre Mrs. Priest nur eine arme alte Hundeliebhaberin. Aber sie mochte ausgerechnet Chihuahuas. Und sie war Kundin von Chenoas Tierkrematorium gewesen. Jemand kümmerte sich um sie. Dieser Jemand hielt sie am Leben, lackierte ihre Fingernägel, aber gab ihr keine Medizin. Storm stellte den Rahmen wieder zurück, weil ihre Handflächen vor Aufregung schwitzten. Sie wischte sie unauffällig an ihrer Jeans ab.
„Ob alle das gleiche Schicksal ereilt hat?“, fragte Malcolm. „Vielleicht ging irgendwem aber auch die Tierliebe zu weit, und Hund Nummer acht musste für alle anderen büßen.“
Storm wandte sich an den Officer. „Wir müssen herausfinden, ob es Angestellte gibt.“
„Ben spricht bereits mit den Nachbarn“, sagte er und schaute aus dem Fenster, als würde er seinen Partner jeden Moment zurückerwarten. Es hatte angefangen zu nieseln. Die Scheibe war mit vereinzelten Tropfen bedeckt. „Die Häuser stehen in diesem Villenviertel zwar nicht Wand an Wand, aber in solchen Kreisen wird oft zu Partys geladen, auf denen über alles und jeden geklatscht und getratscht wird.“
Sie verdrehte die Augen. „Davon kann ich ein Lied singen.“ Seit Storm durch den unverschämten Vorschlag des Wachsmörders ins Visier der Medien geraten war, bekamen ihre Eltern dreimal so viele Einladungen wie zuvor.
Patterson deutete aus dem Fenster. Der Regen nahm zu. Wassertropfen liefen an der Scheibe herab. „Die Spurensicherung ist eingetroffen. Ich kümmere mich um sie.“ Dann eilte er ins Erdgeschoss, um die Kollegen in Empfang zu nehmen.
Storm und Malcolm schauten sich weiter um. Die meisten Zimmer auf der ersten Etage sahen unbenutzt aus. Alle Möbel waren mit einer Staubschicht bedeckt. Offensichtlich war hier schon länger nicht mehr geputzt worden. Das Licht, das durch die großen Fenster ins Haus fiel, die helle Einrichtung und die kostbaren Dekorationsgegenstände konnten nicht über die Leere hinwegtäuschen. Dieses Haus war tot. Philomena Priest hatte augenscheinlich lange keinen Besuch mehr erhalten. Es gab keinen Hinweis auf einen Ehemann oder auf Kinder. Das einzige Lebendige musste ihr Hund gewesen sein – und der hing verkohlt vom Türrahmen herab. Er war alles, was sie gehabt hatte. Nun war sein Körper kalt und steif.
„Ich vermute, dass sie ihren Chihuahua mit ‚Komm, hab Mommy ein bisschen lieb‘ gemeint hatte.“ Storm schwankte zwischen Traurigkeit und Entsetzen, weil sie sich in Mrs. Priest wiedererkannte. Würde sie im Alter genauso einsam sein? Würde nur eine Katze ihr Leben mit ihr teilen? Ende des Jahres würde sie dreiunddreißig Jahre alt werden – und sie hatte nichts vorzuweisen außer ihrem Rang als Detective. Als Teenager war sie davon ausgegangen, mit dreißig verheiratet zu sein und eventuell sogar schon ein Kind zu haben. Nur eins, denn ihre Arbeit bei der Polizei war ihr schon immer sehr wichtig gewesen. Doch sie war bereits zwei Jahre über dieses magische Datum hinaus und hatte nichts von alldem. Sie war alleine. Und der Mann, auf den sie sich zurzeit konzentrierte, war ausgerechnet ein Seriensexualtäter.
Malcolm öffnete eine Tür und winkte Storm herbei. „Schau dir das an.“
Sie trat hinter ihm ein. „Ein Spielzimmer für Hunde. Ich wette, sie hat ihn kaum nach draußen gelassen, weil er sich dort seine Luxuspfoten schmutzig gemacht hätte. Stattdessen hat sie ihm ein eigenes Reich eingerichtet und Leckerlis aus Chenoas Hundebäckerei gekauft.“
Im Korridor wurde es laut. Kameras blitzten. Die Spurensicherung machte erste Fotos. Patterson steckte seinen Kopf ins Zimmer. „Sollen sie nur den verbrannten Köter und die Tür untersuchen oder das gesamte Haus?“
Storm war unsicher. Bisher drängte sie nur ein unbestimmtes Gefühl, dem auf den Grund zu gehen, was hier vor sich ging. Eventuell vergeudeten sie in der Villa ihre kostbare Zeit, die sie lieber darauf verwenden sollten, den Wachsmörder zu finden. Doch dann fiel ihr Blick auf ein Foto, das zu einem Poster vergrößert worden war und über einer blau gestrichenen Truhe hing. „Alles!“
Patterson nickte und verschwand.
Storm zeigte auf das Bild. „Philomena Priest muss früh ergraut sein. Dieses Foto kann keine fünf Jahre alt sein, und zu
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