Opfere dich
diesem Zeitpunkt hatte sie bereits kurze, weiße Haare.“ Ihr Puls beschleunigte sich.
„Sie ähnelt den Opfern des Wachsmörders.“ Ihr Partner verstand sofort. Er stellte sich hinter sie und schaute das überdimensionale Foto über ihre Schulter hinweg an. „Alle seine Opfer waren hellblond, fast weiß.“
„Und sie trugen eine Kurzhaarfrisur. Dabei heißt es doch immer, dass Männer auf Frauen mit langen Haaren stehen, weil lange Haare ein Symbol der Weiblichkeit sind.“ Sie knetete aufgeregt den Falz ihrer Jeans.
Malcolm legte ihr eine Hand auf die Schulter. Seine Hand war heiß. Er stand genauso unter Strom, wie Storm. „Aber darum geht es dem Wachsmörder nicht, sondern darum, eine Situation mit einer bestimmten Frau immer und immer wieder zu durchleben.“
„Eine, die kurze, blonde oder weiße Haare hat.“ Schwungvoll drehte sie sich um und sah ihrem Partner in die Augen. Sie spürten es beide. Diese Spur war heiß! „Seriensexualtäter wurden oft in ihrer Kindheit missbraucht.“
„Aber Philomena Priest war bestimmt nicht schon mit zwanzig oder dreißig ergraut“, gab er zu bedenken.
Damit hatte er recht. Ihre Theorie hinkte, sollte Mrs. Priest nicht in jungen Jahren strohblond gewesen sein.
Auf einmal herrschte Tumult auf dem Gang. Sie gingen aus dem Zimmer, um nachzusehen, was der Grund dafür war. Da kam Bobby ihnen schon entgegen. Seine Wangen waren gerötet. Seine Stirn glänzte.
Schwer atmend, als wäre er gerannt, zeigte er zur Decke. „Wir haben etwas gefunden: Es gibt noch eine separate Wohnung, der Dachstuhl ist ausgebaut. Die Eingangstür befindet sich in der Korridordecke, so eine zum Herunterziehen.“
Storm und Malcolm folgten Patterson ins zweite Obergeschoss. Storm fiel sofort ins Auge, dass die Tür mit der gleichen cremefarbenen Tapete verkleidet war wie die Decke, so dass man sie kaum wahrnahm. Die Vermutung lag nah, dass man das Dachgeschoss nachträglich ausgebaut hatte, weil es sonst eine Wendeltreppe gegeben hätte.
Nacheinander stiegen sie hinauf und informierten sich bei ihren Kollegen.
Der Speicher bestand, bis auf das Badezimmer, aus einem einzigen großen Zimmer. Eine Mikrowelle stand auf einem Wäscheschrank neben dem Fenster, gegen das mittlerweile dicke Regentropfen hämmerten. An der hinteren Wand stand ein Einzelbett. Der graue Überwurf war akkurat glattgezogen. Entweder machte derjenige, der hier wohnte, jeden Morgen sein Bett, oder es hatte längere Zeit niemand mehr darin geschlafen. Moderne Gemälde hingen an den Wänden. Die Tapete war in einem dunklen Blau überstrichen worden, und die Zimmerdecke war mit Mahagoniholz verkleidet. Der anthrazitfarbene Teppich unterstrich das düstere Ambiente.
„Hier fehlt der weibliche Touch“, stellte Storm fest und spürte ein nervöses Kribbeln in den Fingerspitzen. Am liebsten hätte sie sofort alles selbst durchsucht, aber das hätte der Spurensicherung bestimmt gar nicht gefallen.
Malcolm stimmte ihr zu. „Komisch ist nur, dass man im Rest des Hauses keinen Hinweis auf den Mann findet, der scheinbar hier wohnt. Entweder wollte er seine Ruhe haben, oder Mrs. Priest duldete ihn nicht in ihren Privaträumen.“
„Er wohnte bei ihr und doch wieder nicht“, sagte sie nachdenklich. Ihr Magen spielte verrückt. Er rumorte. Aber sie hatte keinen Hunger. Sie war aufgekratzt. Euphorisch. Ein Energieschub machte sie fahrig.
Triumphierend wies Patterson auf ein Foto, das nicht gerahmt war und gegen ein Fernglas gelehnt auf einem Wäscheschrank stand. „Hab den Bewohner gefunden.“
Sie eilten herbei. Als Storm die Frau sah, entgleisten ihre Gesichtszüge. Dabei war Mrs. Priest sichtlich nicht immer schon hellblond gewesen, wie sie vermutet hatten. Beinahe wäre ihre Theorie geplatzt, aber nur beinahe.
Die Aufnahme war älter als das Foto, das im Hundezimmer hing. Sie musste zehn bis fünfzehn Jahre alt sein. Philomena Priest hatte eine sehr aufrechte Haltung, trug einen Chihuahua auf dem Arm und lächelte heroisch, während der Mann, der einen halben Schritt hinter ihr stand, verhalten schmunzelte. Er sah gut aus, verdammt gut sogar. Er hatte dunkle Haare, markante Gesichtszüge, und da war etwas Geheimnisvolles in seinem Blick, das viele Frauen allgemein anziehend fanden. Er trug ein dunkelblaues Poloshirt und einen Pullover in der gleichen Farbe, der lässig über seine Schultern hing.
„Ich vermute, dass der Kerl mittlerweile zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt ist. Er hat die gleiche kräftige
Weitere Kostenlose Bücher