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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Zeichen.
    Plötzlich bemerkte Storm einen Schatten, der ins Zimmer schwebte. Lautlos, wie eine schwarze Katze. Die Statur ließ darauf schließen, dass es sich um einen Mann handelte. Polierte Sneakers blieben vor Storm stehen. Keiner der Officer, so viel stand fest, denn es handelte sich nicht um einen Uniformierten, sondern um eine Privatperson. Kein Morast klebte an den Schuhen. Also war es keiner der Männer, die sie durch den schlammigen Garten hergebracht hatten.
    Als sich der Mann hinhockte, hielt Storm sekundenlang ihren Atem an. Das Blut gefror in ihren Adern. Sie sah vor ihrem geistigen Auge den Schriftzug, der auf ihrem Grab stehen würde: „Hier ruht Storm Harper, der Lynchjustiz zum Opfer gefallen, aber gestorben durch die Hand des Wachsmörders“. Das schwache Licht der Kerze reichte, um zu erkennen, dass sie den Mann vor sich hatte, den sie zuerst auf dem Foto in der Dachgeschosswohnung von Philomena Priest gesehen hatte.
    Darragh! Ihr Sohn. Der Wachsmörder. Der Mann, der ihr ins Ohr geflüstert hatte: „Wenn du mich wirklich aufhalten willst, dann komm zu mir. Komm zu mir, sei mein letztes Opfer. Dann werde ich mein grausames Schlachten einstellen.“
    Aber sie war nicht freiwillig zu ihm gekommen, das war offensichtlich, verschnürt, wie sie war. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zu ihm hoch. Seine Mundwinkel kräuselten sich zu einem Lächeln. Es war ein liebevolles Lächeln, das sie willkommen hieß. Keine Spur von Gier oder Hast.
    Er streichelte ihre Wange und sagte: „So hatte ich mir das zwar nicht vorgestellt. Aber wenn du schon einmal hier bist … Geschenke darf man nicht ausschlagen, nicht wahr? Das verbietet die gute Erziehung.“
    Storm war schockiert. Sie wich seiner Hand aus, soweit das möglich war, und stieß mit dem Hinterkopf gegen die Heizung, genau an der Stelle, wo die Latte sie getroffen hatte und nun eine Beule wuchs. Ein scharfer Schmerz durchzuckte wie ein Blitz ihren Kopf. Ein Gewitter tobte in ihrem Schädel.
    Zum ersten Mal begegnete sie dem Seriensexualtäter, den das FTPD anderthalb Jahre gesucht hatte. Dem Wachsmörder. Dem Schakal. Anubis. Dem Gott der Totenriten. Der vier Frauen – eventuell fünf, niemand wusste, ob Carol Frost noch am Leben war – gefoltert, vergewaltigt und getötet hatte. Plus einen Chihuahua. Mindestens. Der Gil ermordet und seine eigene Mutter langsam und qualvoll vergiftet hatte. Weshalb sollte er ausgerechnet mit ihr, Storm, Erbarmen haben?
    Er legte seine Hand an ihren Hals. Eine Geste, die sowohl etwas Intimes als auch Bedrohliches besaß. Seine Handfläche war warm. Das bedeutete, er war ihr und ihren Entführern nicht vom Haus der Harpers gefolgt – sondern die ganze Zeit in der Villa seiner Mutter gewesen.
    Life’s a bitch, dachte Storm und fühlte, dass sich vor Aufregung ihre Blase meldete.

22.
    Darragh Priest trug eine schwarze Stoffhose, ein schwarzes Hemd unter einer dunklen Nadelstreifenweste und eine anthrazitfarbene Krawatte. Alles perfekt aufeinander abgestimmt. Und schwarz wie seine Seele. Er lächelte. Charmant. Überheblich. Er verkörperte genau den Typ Mann, den Storm nicht leiden konnte. Schön. Reich. Und grausam. Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass sie ihm hinterhergeschaut hätte, wenn sie ihm irgendwo begegnet wäre.
    Wehrlos lag sie ihm zu Füßen und musste zulassen, dass er über ihren Bauch strich. Er schob ihren Pullover ein Stück hoch und kreiste mit seinen Fingerspitzen um ihren Bauchnabel. Seine Berührung war warm und zärtlich. Ihr wurde übel.
    Storm würde nicht den Fehler machen und seine Sanftheit missinterpretieren, sie war nur eine weitere Foltermethode. Seine Opfer sollten Hoffnung schöpfen, die er im nächsten Moment zunichtemachen würde. Er benahm sich wie ein Gentleman, drückte sich gewählt aus, ganz der gebildete Mann der Oberschicht.
    Aber Storm ließ sich von dieser Fassade nicht blenden. Sie wusste, wer er wirklich war: ein Schlächter. Brutal, mitleidslos und mit gestörter Persönlichkeit. Sie befand sich in Lebensgefahr.
    Entgegen aller Vernunft siegte der Trotz in ihr. Angewidert winkelte sie ihre Beine an und wehrte damit seine Hand ab.
    Er lachte amüsiert. „Genieße deine Bewegungsfreiheit noch, auch wenn sie eingeschränkt ist. Bald wirst du auf meinem Seziertisch liegen und an Armen und Beinen gefesselt sein, dein Kopf wird in einem Schraubstock stecken und dann, Storm Harper, musst du alles über dich ergehen lassen, was ich dir antun werde. Und du weißt

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