Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
kleinen Hauch Unsicherheit wahrzunehmen. »Alles ist wichtig«, postulierte sie den Gemeinplatz, der alles und nichts ausdrückte.
»Die Übergänge von einer Partnerin zur nächsten waren immer fließend. Wenn er es mit der einen nicht mehr aushielt, suchte er sich schnell eine andere, die dann die Prinzessin war, für das kommende Vierteljahr. Zuletzt war er Single, seit etwa einem Jahr – eher der Ausnahmezustand. Ich weiß nicht, ob ihm selbst aufgefallen war, dass nicht die Frauen am Scheitern seiner Beziehungen schuld gewesen waren. Ich habe ihm das oft gesagt – wir sind immer sehr offen miteinander umgegangen. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass dieser Teil meiner Ratschläge ihn wirklich erreicht hätte.«
»Gibt es vielleicht jemanden, dem er geschäftlich auf die Füße getreten ist?«
Hansen trank einen Schluck Wasser und schenkte Margot nochmals nach, der gar nicht aufgefallen war, dass sie ihr Glas schon geleert hatte.
»Nein, auch das halte ich für ausgeschlossen. Habe ich auch alles Ihren Kollegen hier in der Hansestadt schon erzählt. Till war ein harter Hund, wenn es um Verhandlungen ging – aber er war immer fair. Wer mit ihm – und damit mit uns – Geschäfte machte, konnte sich darauf verlassen, dass das, was zugesagt war, auch immer in vollem Umfang geliefert oder bezahlt wurde. Ihre Kollegen haben unsere Firmenbücher ja genauestens durchforstet, aber da war nichts. Wir sind in den vergangenen zehn Jahren viermal von den Finanzbehörden durchleuchtet worden, bis auf die letzte Quittung für Büroklammern. Sie haben nie etwas gefunden. Was nicht daran lag, dass Till mit illegalen Finanzaktionen so genial getrickst hatte – sondern dass wir unsere Steuern ehrlich bezahlt haben. Verstehen Sie auch das nicht falsch: Wir sind keine Heiligen. Aber wir haben immer im Rahmen der Legalität gearbeitet. Insofern gab es sicher Geschäftspartner, die sich höhere Margen durch uns versprochen haben – aber wie gesagt: Sie haben Verträge unterzeichnet und stets die zugesagte Leistung erhalten. Das war unser Ruf. Den hätte Till nie durch illegale Aktivitäten gefährdet.«
»Und die Wirtschaftskrise?«
»Nicht die Wirtschaftskrise, werte Frau Hesgart, sondern die Krisen . Unser Unternehmen besteht bereits seit über hundert Jahren. Natürlich sind wir von Krisen nicht verschont geblieben. Auch wir haben Menschen entlassen müssen, Schiffe verkaufen. Aber gerade unter Tills finanzieller Führung hielt sich das immer in geringerem Rahmen als in anderen Unternehmen.«
»Aber nur bei Ihnen wurde der Eigentümer der Firma umgebracht.«
»Ja. Aber Firmenbelange waren dafür definitiv nicht der Grund.«
»Haben Sie eine Vorstellung, was das Motiv gewesen sein könnte?«
»Seit einem halben Jahr vergeht kein Tag, an dem ich mir diese Frage nicht stelle. Und an jedem Tag ist die Antwort die gleiche: nein, nicht die geringste.«
Margot hatte Hansens Akte gründlich studiert. Und es gab nur einen kleinen Schandfleck auf der blütenweißen Weste des Till Hansen. Vielleicht war es jetzt an der Zeit, die Bombe platzen zu lassen. In den von der Hamburger Polizei zugesandten Unterlagen war auch ein Auszug aus dem Bundeszentralregister gewesen. Demnach hatte Till Hansen eine zweijährige Haftstrafe bekommen, die zwölf Jahre zuvor mit dreijähriger Bewährung ausgesprochen worden war. Auch Aufzeichnungen zum Prozess waren in den Unterlagen gewesen. »Wie war das vor zwölf Jahren. Der Vorfall, für den Ihr Bruder verurteilt worden ist? Wäre da kein Motiv zu finden?«
Jonne Hansen zuckte nur ganz leicht zusammen, hatte sich aber sofort wieder im Griff. »Sie meinen den Unfall?«
»Ja, ich meine den Unfall, den Ihr Bruder Till verursacht hat, mit 2,0 Promille im Blut, bei dem er die Radfahrerin auf der Landstraße übersehen hat. Die den Schubser mit dem Benz nicht überlebte.«
»Die kein Licht am Fahrrad hatte.«
»Vorn hat es funktioniert. Hinten konnte man das nicht mehr rekonstruieren, weil Ihr Bruder auf das Rad aufgefahren ist und das Rücklicht nur noch Mus war.«
»Frau Hesgart, ja, Sie haben recht. Dieses Vergehen geht auf das Konto meines Bruders, und er hat sich immer wieder Vorwürfe gemacht. Er wurde verurteilt, wie Sie ja gesehen haben – und er ist danach nie wieder wegen Trunkenheit am Steuer aktenkundig geworden.«
Klang ein wenig anders als die Aussage: Er ist danach nie wieder betrunken Auto gefahren.
»Wie Sie wissen, ist er zu zwei Jahren verurteilt worden, bei drei
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