Opferlämmer
Zielperson des Uhrmachers.«
Sehr gut, dachte Rhyme, wenngleich er insgeheim hinzufügte : Muss das denn unbedingt jetzt sein? Doch dann kam er zu dem Schluss, dass der Uhrmacher Priorität genoss, wenigstens fürs Erste. Um Galt kümmerten sich Sachs, Pulaski und ein Dutzend ESU-Beamte. Als er dem Uhrmacher zuletzt so dicht auf den Fersen gewesen war, hatte er sich zwischendurch zu sehr auf einen anderen Fall konzentriert, und prompt hatte Logan sein Opfer getötet und war entkommen.
Diesmal nicht. Diesmal würde Logan ihm nicht entwischen.
»Bitte fahren Sie fort«, sagte er zu der CBI-Agentin und zwang sich, den Blick von den Tabellen abzuwenden.
Es klickte in der Leitung.
»Rodolfo«, sagte Dance. »Ich habe Lincoln zugeschaltet. Sie beide können sich jetzt besprechen. Ich muss derweil mit TJ reden. «
Die Männer verabschiedeten sich von ihr.
»Hallo, Captain.«
»Commander. Was gibt es Neues?«
» Arturo Diaz hatte vier verdeckte Ermittler in den Bürokomplex geschickt, von dem ich Ihnen erzählt habe. Vor ungefähr zehn Minuten ist Mr. Uhrmacher als Geschäftsmann verkleidet in die Lobby spaziert und hat dort von einem Münztelefon aus eine Firma im fünften Stock angerufen – am anderen Ende des Gebäudes, nicht dort, wo gestern der Feueralarm war. Genau wie Sie vermutet haben. Nach etwa zehn Minuten ist er wieder gegangen.«
»Und verschwunden?«, fragte Rhyme besorgt.
»Nein. Er ist jetzt draußen in einem kleinen Park, der zwischen den zwei Hauptflügeln der Anlage liegt.«
»Er sitzt einfach da?«
»So scheint es. Er hat mit seinem Mobiltelefon mehrere Anrufe getätigt. Aber die Frequenz ist entweder unüblich, oder er benutzt einen Zerhacker, sagt Arturo. Wir können also nicht mithören.«
Rhyme nahm an, dass die diesbezüglichen Vorschriften in Mexiko nicht ganz so strikt waren wie in den USA.
»Sind Ihre Leute sicher, dass es sich um den Uhrmacher handelt?«
»Ja. Arturos Männer sagen, sie hätten ihn deutlich erkennen können. Er hat eine Aktentasche bei sich. Immer noch.«
»Wirklich?«
»Ja. Wir können uns nicht sicher sein, was es ist. Vielleicht ein Sprengsatz. Mit der Platine als Zünder. Unsere Teams kreisen das Gelände derzeit ein. Alle in Zivilkleidung, aber wir haben in der Nähe eine Abteilung Soldaten auf Abruf. Und das Bombenräumkommando. «
»Und wo sind Sie, Commander?«
Er lachte. »Es war sehr rücksichtsvoll von Ihrem Uhrmacher, sich ausgerechnet hier seinem Ziel zu nähern. Das jamaikanische Konsulat ist gleich gegenüber. Die haben Bombensperren, und wir sind dahinter. Logan kann uns nicht sehen.«
Rhyme hoffte, dass das stimmte.
»Wann schlagen Sie zu?«
»Sobald Arturos Männer uns die Freigabe erteilen. Der Park ist voller Zivilisten, darunter auch Kinder. Aber er wird nicht entkommen. Die meisten Straßen sind bereits abgeriegelt.«
Rhyme lief ein Schweißtropfen über die Schläfe. Er verzog das Gesicht und wischte ihn an der Kopfstütze ab.
Der Uhrmacher …
So nah dran.
Bitte, lass es funktionieren. Bitte…
Er war mal wieder frustriert, an einem so wichtigen Fall nur aus der Entfernung mitarbeiten zu können.
»Wir geben Ihnen bald Bescheid, Captain.«
Sie beendeten das Gespräch, und Rhyme zwang sich, seine Aufmerksamkeit nun erneut Raymond Galt zuzuwenden. Würde der Hinweis auf seinen Aufenthaltsort sich erhärten? Der Mann sah völlig durchschnittlich aus, war mittleren Alters, nicht zu dick, nicht zu dünn. Mittelgroß. Und in dem paranoiden Klima, das er geschaffen hatte, sahen die Leute zweifellos an jeder Ecke Gespenster: Stromfallen, die Gefahr von Lichtbögen … und den Killer höchstpersönlich.
Dann zuckte er zusammen, denn aus dem Funkgerät ertönte urplötzlich Sachs’ Stimme. »Rhyme, bist du da? Kommen.«
Normalerweise verzichteten sie untereinander auf diese Sprechaufforderung, wie sie ansonsten im polizeilichen Funkverkehr üblich war. Rhyme fand es aus irgendeinem Grund beunruhigend, dass Sachs sich diesmal nicht daran hielt.
»Leg los, Sachs. Was gibt’s?«
»Wir sind gerade angekommen und gehen jetzt rein. Ich melde mich wieder.«
… Achtundfünfzig
Ein kastanienbrauner Torino Cobra erregte nicht gerade wenig Aufsehen. Daher hatte Sachs zwei Blocks entfernt von der Schule geparkt, in der Galt gesichtet worden war.
Das Gebäude war seit Jahren geschlossen, und nach den aufgestellten Schildern zu urteilen, würde es bald abgerissen werden und einer Wohnanlage weichen.
»Gutes Versteck«, sagte sie zu
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