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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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gefeuert, wie er selbst gekündigt hatte.
    Doch er hatte nie ernsthaft geglaubt, dass sie länger als einen Tag voneinander getrennt sein würden. Und bis jetzt hatte er recht behalten.
    Wo zum Teufel bleiben die Sanitäter?, dachte er. War dies etwa meine Schuld? Eine Dysregulation wird häufig durch den Druck einer vollen Blase oder eines nicht entleerten Darms ausgelöst. Da Rhyme nicht spürte, wann es an der Zeit war, sich zu erleichtern, achtete Thom auf seine Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und passte die Intervalle ab. Hatte er sich verrechnet ? Er ging eigentlich nicht davon aus, aber vielleicht hatte der Stress, simultan an zwei Fällen zu arbeiten, Rhymes körperliche Reaktion verstärkt. Thom hätte sich öfter vergewissern müssen.
    Ich hätte das bedenken müssen. Ich hätte strenger sein müssen …
    Mit Rhyme würde der beste Kriminalist der Stadt, wenn nicht der ganzen Welt verloren gehen. Und viele zukünftige Opfer müssten sterben, weil niemand rechtzeitig ihre Mörder ermitteln würde.
    Und mit Rhyme würde Thom einen seiner engsten Freunde verlieren.
    Trotzdem blieb er ruhig. Betreuer lernen so etwas früh. Nüchterne und schnelle Entscheidungen lassen sich nur ohne Panik treffen.
    Dann normalisierte sich Rhymes Gesichtsfarbe, und sie setzten
ihn wieder in den Rollstuhl. Sie hätten ihn ohnehin nicht mehr lange halten können.
    »Lincoln! Kannst du mich hören?«
    Keine Reaktion.
    Doch einen Moment später rollte der Mann den Kopf auf die Seite. Und er flüsterte etwas.
    »Lincoln. Es wird alles wieder gut. Dr. Metz schickt ein Team.«
    Erneut ein Flüstern.
    »Schon gut, Lincoln. Keine Sorge.«
    »Du musst ihr sagen …«, setzte Rhyme leise an.
    »Lincoln, bleib ruhig.«
    »Sachs.«
    »Sie ist noch an dem Tatort«, sagte Cooper. »Bei der Schule, zu der du sie geschickt hast. Sie ist noch nicht zurück.«
    »Du musst Sachs sagen …« Seine Stimme erstarb.
    »Das werde ich, Lincoln. Ich sage es ihr. Sobald sie sich meldet«, versprach Thom.
    »Wir sollten sie jetzt nicht stören«, fügte Cooper hinzu. »Sie ist gerade dabei, Galt zu verhaften.«
    »Sag ihr …«
    Rhyme verdrehte die Augen und verlor abermals das Bewusstsein. Thom schaute wütend aus dem Fenster, als würde das die Ankunft des Krankenwagens beschleunigen. Doch er bekam lediglich Passanten zu sehen, die auf ihren gesunden Beinen vorbeischlenderten, oder Jogger und Radfahrer im Park, die allesamt scheinbar frohen Herzens ihre Kreise zogen.

… Zweiundsechzig
    Ron Pulaski schaute zu Sachs, die durch ein Fenster auf der Rückseite der Schule spähte.
    Sie hob einen Finger, kniff die Augen zusammen und reckte sich, um einen besseren Blick auf Galts Aufenthaltsort zu erhaschen. Das Wimmern war von hier aus kaum zu hören, denn der Lastwagen mit dem Dieselmotor befand sich ganz in der Nähe, unmittelbar hinter einem Zaun.
    Dann ertönte ein lauteres Stöhnen.
    Sachs wandte den Kopf und wies auf die Tür. »Wir holen sie raus. Ich will ihn ins Kreuzfeuer nehmen. Einer von uns oben, der andere unten. Wollen Sie hier rein oder über die Feuerleiter?«
    Pulaski sah nach rechts, wo eine rostige Leiter hinauf zu einer Plattform und einem offenen Fenster führte. Er wusste, dass das Metall nicht unter Strom stehen konnte. Amelia hatte das überprüft. Dennoch sträubte sich alles in ihm dagegen. Dann dachte er an seinen Fehler bei Galts Wohnung. An Stanley Palmer, der vielleicht sterben musste. Und der, auch falls er überlebte, womöglich nie mehr derselbe sein würde.
    »Ich gehe nach oben«, sagte er.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Denken Sie daran, wir wollen ihn möglichst lebend erwischen. Falls er einen weiteren Anschlag vorbereitet hat, wird dieser eventuell durch einen Timer ausgelöst. Galt muss uns verraten, wo und wann es so weit ist.«

    Pulaski nickte. Dann huschte er geduckt über den dreckigen Asphalt davon, auf dem vielerlei Abfall verstreut lag.
    Konzentriere dich, ermahnte er sich. Du hast eine Aufgabe zu erledigen. Du darfst nicht schon wieder in Panik geraten. Du wirst diesmal keinen Fehler begehen.
    Ihm wurde bewusst, dass er sich deutlich sicherer fühlte als zuvor. Nein, eigentlich noch besser: Ron Pulaski war sauer.
    Galt war also an Krebs erkrankt. Tja, tut mir leid. Tja, was für ein Pech. Zum Teufel, Pulaski hatte ein Schädeltrauma erlitten, und er gab keinem anderen die Schuld. Auch Lincoln Rhyme saß nicht herum und blies Trübsal. Und Galt könnte die Krankheit durchaus besiegen, bei all den neuen

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