Opferlämmer
Speichersystemen auf Basis von Flüssigsalzen, Batterien, Supraleitern, intelligenten Netzen … die Liste war endlos.
Und absolut faszinierend.
Sommers erreichte den drei Meter breiten Stand seiner Firma am hinteren Ende der Halle.
ALGONQUIN CONSOLIDATED POWER
ABTEILUNG FÜR SONDERPROJEKTE
DIE KLÜGERE ALTERNATIVE TM
Obwohl die Algonquin vermutlich größer war als die fünf nächstgrößeren Aussteller zusammen, hatte sie den kleinstmöglichen Stand gemietet, und besetzt war er nur mit Sommers.
Wodurch ziemlich deutlich wurde, was die Generaldirektorin Andi Jessen von erneuerbaren Energien hielt.
Doch Sommers störte sich nicht daran. Sicher, er war als Vertreter des Unternehmens hier, aber er wollte auch aus eigenem Antrieb neue Leute kennenlernen und Kontakte knüpfen. Eines Tages – hoffentlich bald – würde er die Algonquin verlassen und sich voll und ganz seiner eigenen Firma widmen. Seine Vorgesetzten wussten von seinem privaten Engagement. Niemand hatte je ein Problem damit gehabt. Die Erfindungen, die er zu Hause konstruierte, waren für die Algonquin ohnehin nicht von Interesse: zum Beispiel ein Wassersparsystem für Küchen oder der Volt-Sammler, ein tragbarer Kasten, der die Bewegungsenergie von Fahrzeugen in Elektrizität umwandelte und in einem Akku speicherte. Diesen konnte man zu Hause oder im Büro an
eine zugehörige Anlage anschließen und musste entsprechend weniger Strom beim örtlichen Anbieter beziehen.
Der König der Negawatt …
Seine Firma hieß Sommers Illuminating Innovations, Inc., und sie bestand aus ihm selbst, seiner Frau und deren Bruder. Der Name war eine Anspielung auf Thomas Edisons Betrieb, die Edison Illuminating Company, damals das erste Versorgungsunternehmen in Privatbesitz und der Betreiber des ersten Stromnetzes.
Sommers mochte ein bisschen – ein winziges bisschen – von Edisons Genius besitzen, aber er war kein Geschäftsmann und hatte von Geld nicht die geringste Ahnung. Als er auf die Idee gekommen war, regionale Netze zu schaffen, damit die kleineren Anbieter ihre Überschüsse an die Algonquin und andere große Energieunternehmen veräußern könnten, hatte ein Freund in der Branche gelacht. »Und wieso sollte die Algonquin Strom kaufen wollen, wenn sie Geld damit verdient, ihn zu verkaufen ? «
»Tja, weil es einfach effizienter ist«, hatte Sommers erwidert und über die Naivität seines Freundes den Kopf geschüttelt. »Es ist billiger für die Kunden, und es senkt die Gefahr von Ausfällen. « Das war doch ganz offensichtlich.
Das erneute Lachen, das er als Antwort erhielt, sollte wohl bedeuten, dass vielleicht Sommers der Naive von ihnen beiden war.
Er nahm nun am Stand Platz, schaltete das Licht ein und stellte das BIN-GLEICH-ZURÜCK-Schild weg. Dann schüttete er mehr Bonbons in eine Schale. (Die Algonquin hatte sich dagegen ausgesprochen, eine hübsche junge Frau mit tief ausgeschnittenem Kleid anzuheuern, die vor dem Stand stehen und lächeln sollte, so wie bei manchen der anderen Aussteller.)
Trotz aller Begeisterung blieb der Manager für Sonderprojekte wachsam. Erfindungen haben ihre Schattenseiten. Die Erschaffung
der Glühbirne war ein erbitterter Kampf gewesen – nicht nur technologisch, sondern auch juristisch. Dutzende von Leuten hatten sich lange und heftig um die Urheberschaft und den damit verbundenen Profit gestritten. Thomas Edison und der Engländer Joseph Wilson Swan gingen daraus letztlich als Sieger hervor, aber das Schlachtfeld war übersät mit Prozessen, Wut, Spionage und Sabotage. Und zerstörten Karrieren.
Sommers musste nun daran denken, denn ihm fiel ein Mann mit Brille und Mütze auf, der sich in der Nähe des Algonquin-Standes bei zwei anderen Ausstellern herumtrieb. Eine der Firmen stellte Geräte zur geothermischen Erforschung her, mit denen sich tief in der Erde Wärmequellen orten ließen. Die andere baute Hybridmotoren für kleine Fahrzeuge. Sommers wusste, wie unwahrscheinlich es war, dass jemand sich für beide Gebiete interessierte.
Der Mann schien zwar kaum auf Sommers oder die Algonquin zu achten, aber er hätte mühelos Fotos von manchen der hier ausgestellten Erfindungen und Modelle schießen können. Die heutigen Spionagekameras waren sehr hoch entwickelt.
Sommers wandte sich ab, um die Frage einer Frau zu beantworten. Als er wieder hinsah, war der Kerl weg – ob nun Spion, Geschäftsmann oder einfach nur ein neugieriger Besucher.
Zehn Minuten später war gerade wenig los. Sommers beschloss, die
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