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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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ich vorgehen?«, fragte der zweite Beamte.
    Sie antwortete nicht auf die Fragen, sondern flüsterte zurück: »Kommen Sie auf keinen Fall mit Metall in Berührung.«
    »Und wieso?«
    »Wegen der hunderttausend Volt.«
    »Oh, na klar.«
    Sie setzte den Fuß auf die erste Stufe und rechnete halb damit, ein grausiges Knistern zu hören und von einem gleißenden Blitz geblendet zu werden. Doch nichts dergleichen geschah. Sie stiegen erst eine Treppe hinab, dann noch eine.
    Die Schätzung erwies sich als falsch. Der Tunnel lag drei Etagen unter der roten Tür.
    Als sie sich dem Ende der Stufen näherten, hörten sie ein Rattern und Summen. Laut. Es war hier außerdem zehn Grad wärmer als draußen, und die Temperatur stieg mit jedem Schritt.
    Eine weitere Pforte zur Hölle.
    Der Schacht war größer als erwartet, etwa einen Meter achtzig breit und zwei Meter zehn hoch, aber auch viel dunkler. Die meisten Lampen der Notbeleuchtung fehlten. Rechts konnte Sachs in etwa fünfzehn Metern Entfernung das Ende des Tunnels erkennen. Es gab dort weder Türen, durch die Galt geflohen sein konnte, noch irgendwelche Verstecke. Links hingegen, wo Joey Barzan vermutet wurde, verschwand der Gang hinter offenbar mehreren Biegungen.
    Sachs wies die beiden Streifenbeamten an, sich hinter ihr zu halten, und ging bis zur ersten Kurve vor. Dort blieb sie stehen. Sie glaubte nicht, dass Galt noch hier sein würde – er hatte bestimmt längst die Flucht ergriffen –, aber sie befürchtete Fallen.
    Und sie konnte natürlich nicht mit Sicherheit sagen, dass Galt
geflohen war. Daher spähte sie geduckt und mit schussbereiter Waffe um die Biegung, hielt die Glock dabei allerdings nicht ausgestreckt, damit Galt sie ihr nicht aus der Hand schlagen oder entreißen konnte.
    Nichts.
    Sie blickte hinab auf das Wasser, das auf dem Betonboden stand. Wasser. Das hatte gerade noch gefehlt. Jede Menge leitfähiges Wasser.
    Sachs schaute zur Tunnelwand, an der dicke schwarze Kabel befestigt waren.
    ACHTUNG! HOCHSPANNUNG!
WARTUNG UND REPARATUR ERST NACH RÜCKSPRACHE
MIT ALGONQUIN CONSOLIDATED POWER
    Sachs musste daran denken, was der Arbeiter zu ihr gesagt hatte: Manche der Leitungen standen immer noch unter Strom.
    »Weiter«, flüsterte sie und eilte voran. Sie machte sich zwar auch Sorgen um Joey Barzan, den Techniker, aber in erster Linie hoffte sie, Hinweise auf Galts Fluchtweg zu finden.
    Doch war das überhaupt realistisch? Das Tunnelsystem erstreckte sich vermutlich über viele Meilen und bot zahllose Möglichkeiten, unerkannt zu verschwinden. Die Böden bestanden aus Erde oder Beton, aber es gab keine deutlichen Fußspuren. Die Wände waren schmutzig. Sachs könnte hier tagelang Partikel einsammeln und dennoch keinen einzigen Anhaltspunkt finden. Vielleicht …
    Ein scharrendes Geräusch.
    Sie erstarrte. Woher war das gekommen? Gab es hier Abzweigungen, in denen Galt sich verbergen könnte?
    Einer der Beamten hob eine Hand, wies auf seine Augen und dann nach vorn. Sachs nickte, obwohl sie die militärische Gestik etwas übertrieben fand.

    Doch wenn er sich dabei besser fühlte …
    Sachs jedenfalls fühlte sich weiterhin unwohl. Vor ihrem inneren Auge zischten mal wieder die geschmolzenen Metallteilchen vorbei.
    Egal, sie konnte nicht zurück.
    Ein tiefer Atemzug.
    Ein weiterer Blick um die Biegung … und abermals lag ein leeres Stück Tunnel vor ihnen. Hier war es noch dunkler. Und Sachs sah auch den Grund dafür: Es fehlten nach wie vor die meisten Glühbirnen, aber hier hatte man sie herausgebrochen.
    Das roch nach einer Falle.
    Sie mussten sich nun in etwa unter dem Hotel befinden. Vor ihnen bog der Gang um neunzig Grad nach rechts ab.
    Ein schneller Blick um die Ecke half nichts; es war einfach zu dunkel.
    Dann hörte sie erneut ein Geräusch.
    »Ist das eine Stimme?«, fragte einer der Streifenbeamten.
    Sachs nickte.
    »Vorsicht«, flüsterte sie.
    Sie bogen um die Ecke und schoben sich geduckt weiter vor.
    Amelia erschauderte. Denn was sie jetzt hörten, war ein Stöhnen. Ein verzweifeltes Stöhnen. Von einem Menschen.
    »Taschenlampe!«, flüsterte sie. Als Detective hatte sie keinen Gürtel voller Ausrüstung dabei, sondern lediglich ihre Waffen und Handschellen. Sie zuckte zusammen. Der Beamte hinter ihr hatte ihr die Lampe versehentlich in die Seite gestoßen.
    »Verzeihung«, murmelte er.
    »Hinlegen«, befahl sie leise. »Flach auf den Bauch. Feuerbereit. Aber geschossen wird nur auf mein Kommando … es sei denn, er erwischt mich

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