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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Angetrauten nicht zu sagen, dass man mit einem anderen Namen aufgewachsen ist. Und würde sie es nicht herausfinden, wenn sie seine Verwandtschaft kennenlernt?»
    «Vielleicht hat sie das ja nie.»
    «Ich nehme nicht an, dass James Richard Shaw vorbestraft ist? Oder saß er bis 1987 in einer Jugendstrafanstalt und hat dann seinen Namen geändert?»
    «Das habe ich überprüft», sagte Ashworth. «Es war auch das Erste, woran ich gedacht habe.»
    Klugscheißer, dachte sie. «Und?»
    «Nichts. Hat unter keinem der beiden Namen Ärger gehabt. Nicht mal einen Strafzettel für zu schnelles Fahren.»
    Darauf sagte sie nicht gleich etwas. Das Lotsenboot hatte die Anlegestelle gerade wieder erreicht. An Deck sah sie zwei dunkle Silhouetten, die sich scharf vor dem glitzernden Wasser abhoben. Jetzt kletterten sie die Leiter aus dem Boot hoch.
    «Was soll ich als Nächstes tun?», fragte Ashworth.
    Die beiden Gestalten hatten das Ende des Anlegestegs erreicht, wo sie sie besser sah. Einer von beiden war James Bennett.
    «Nichts», sagte sie bedauernd. «Noch ein bisschen weiterwühlen. Wenn mit Bennett was nicht stimmt, soll er nicht wissen, dass wir ihm auf der Spur sind. Nicht, bevor wir eine Ahnung haben, worum es da geht.»
    Sie saß noch immer vor dem Imbiss, als der Lotse vorbeifuhr. Sie glaubte nicht, dass sie ihm aufgefallen war.

Kapitel dreißig
    Als Michael Long ihr die Tür öffnete, wirkte er ärgerlich und erleichtert zugleich.
    «Ich habe versucht, Sie zu erreichen», sagte er, als wäre sie ihm bewusst aus dem Weg gegangen.
    «Nun, hier bin ich, da können Sie mich ja jetzt auch reinlassen.»
    Er trat beiseite, und sie ging vor ihm her in das kleine Wohnzimmer, wo sie in der Woche zuvor gesessen und sich unterhalten hatten.
    «Jedes Mal, wenn ich angerufen habe, war jemand anders dran. Und manchmal gar keiner, nur eine Ansage vom Band. Und keiner von denen wollte mich zu Ihnen durchstellen.»
    «Die haben zu tun», blaffte Vera. «Wissen Sie eigentlich, wie viele Anrufe die Einsatzzentrale bei einem Fall wie diesem bekommt?»
    Er sah sie an, als hätte sie ihn gebissen, beschwerte sich aber nicht weiter. Sie dachte, dass es keinen Grund gab, so mit ihm umzuspringen. Hatte sie jetzt weniger Mitgefühl mit ihm, weil Wendy Jowell gesagt hatte, er sei ein Rowdy? Sie wollte etwas Milderes sagen, damit er das Gefühl bekam, dass sie noch auf seiner Seite war, aber er sprach zuerst.
    «Ich setze Wasser auf, ja? Sie können bestimmt einen heißen Tee vertragen.»
    Großer Gott, dachte sie, noch mehr Tee, und ich schwimme auf dem Humber davon wie ein vollbeladenes Containerschiff. «Aye», sagte sie. «Warum nicht?»
    Als er mit dem Tablett zurückkam, war er so bemüht, ihr alles recht zu machen, schenkte ihr starken Tee ein, wie sie ihn mochte, dass es leicht war, sich verständnisvoll zu geben.
    «Warum lag Ihnen denn so viel an dem Vergnügen meiner Gesellschaft?», sagte sie. «Was konnte denn nicht warten?»
    «Ich habe den Burschen gesehen, Christopher Winter, an dem Tag, an dem er ums Leben kam. Als ich ihn sah, wusste ich nicht, dass er es war. Aber sie haben sein Bild in der Zeitung abgedruckt und gefragt, ob ihn jemand gesehen hat. Da habe ich ihn wiedererkannt.»
    «Das hätten Sie der Einsatzzentrale mitteilen sollen», sagte sie vorsichtig. Sie rügte ihn nicht direkt, sondern stellte nur die Tatsachen fest. «Es ist womöglich wichtig.» Doch schon während sie sprach, konnte sie ein kindisches Gefühl der Befriedigung nicht unterdrücken: Sie hatte die Neuigkeit vor dem örtlichen Team erfahren.
    «Aye, mag sein. Vielleicht hätte ich das, wenn sie nicht so grob zu mir gewesen wären.»
    Dazu sagte sie nichts.
    «Wo haben Sie ihn denn gesehen?»
    «Auf dem Friedhof am Dorfrand. Es war schon eine Weile her, dass ich an Pegs Grab war, und ich wollte ihr einen Besuch abstatten. Ihr irgendwie zeigen, dass ich wieder auf den Beinen bin.» Er sah hoch. «Dumm, ich weiß.»
    «Ganz und gar nicht», sagte sie. «Wie spät war es da?»
    «Noch früh am Morgen. Ungefähr acht Uhr.»
    «Und was hat Christopher Winter gemacht?»
    «Das Gleiche wie ich, denke ich. Getrauert. Er stand bei dem Grab von der Kleinen, die unsere Jeanie umgebracht haben soll.»
    «Haben Sie miteinander gesprochen?»
    Michael Long schüttelte den Kopf. «Er war zu durcheinander, hat mich gar nicht bemerkt. Ich meine, es war noch nicht richtig hell, aber ich glaube, er hätte mich auch dann nicht gesehen, wenn es heller gewesen wäre.

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