Opferschuld
Stanhope und ihrem Sergeant. «Inspector Stanhope möchte dir noch ein paar Fragen stellen», sagte er. «Ist das in Ordnung für dich?»
Sie hätte gedacht, dass James sich über die Störung ärgern würde, aber wie immer bei ihm konnte sie das nicht erkennen.
«Natürlich. Bitte setzen Sie sich doch.»
«Es geht um Christopher», sagte Vera. «Eigentlich ist es ja nicht mein Job, diese Fragen zu stellen. Sein Tod wird jetzt von einem hiesigen Team untersucht. Aber uns kennen Sie nun schon. Ich dachte, besser komme ich vorbei als ein Haufen fremder Leute.»
«Danke.» Obwohl Emma dachte, dass Fremde vielleicht weniger verstörend wären als diese Frau, die das kleine Esszimmer zu beherrschen schien und es sich dort schon gemütlich machte. Sie ließ sich auf einen der leeren Stühle plumpsen und zog ihre Strickjacke aus, als fände sie die Wärme unerträglich. Emma hatte das Gefühl, sich dafür entschuldigen zu müssen, und konnte sich gerade noch zurückhalten. Das hier war ihr Zuhause.
«Als Sie Christopher das letzte Mal sahen, hatte er da ein Handy dabei?»
«Ich kann mich nicht erinnern, dass er eins benutzt hätte», sagte Emma.
«An dem Tag, an dem er umgebracht wurde, hat man ihn frühmorgens auf dem Gemeindefriedhof gesehen. In der Nähe von Abigails Grab. Der Zeuge glaubt, er könnte ein Handy benutzt haben, aber wir haben bei seiner Leiche keins gefunden.»
«Wenn er ein Handy hatte, können Sie das doch sicher ausfindig machen», sagte James.
«Das sollte man meinen, aber so leicht ist das offenbar nicht. Vor allem nicht bei den Prepaid-Handys. Die Leute tauschen die Dinger, verkaufen sie. Es gibt keine Rechnungen, und es ist schwer, an Unterlagen zu kommen.» Plötzlich änderte Vera ihr Vorgehen und sah Emma fest an. «Waren Sie jemals an Abigails Grab?»
«Nein.» Wenn Emma länger darüber nachgedacht hätte, wäre sie vielleicht versucht gewesen zu lügen. Das blanke «Nein» klang so herzlos.
«Aber Sie wussten, wo sie begraben ist. Sind Sie zu ihrer Beerdigung gegangen?»
«Nein», sagte Emma wieder und fügte hinzu: «Meine Eltern meinten, das würde mich nur aus der Fassung bringen. Und obwohl Keith eine ruhige Trauerfeier gewünscht hatte, waren offenbar alle Zeitungen da. Ich bin froh, dass ich nicht hingegangen bin.»
«Was ist mit Christopher?»
«Er war bestimmt nicht da.»
«Nein? Sind Sie sicher? Haben Sie darüber gesprochen?»
«Das brauchten wir nicht. Er war ganz sicher nicht da.»
«Er könnte sich doch aus der Schule geschlichen haben. Könnte allein hingegangen sein.»
«Schon möglich. Aber irgendjemand hätte ihn gesehen und es meinen Eltern erzählt.»
«Natürlich.» Vera nickte heftig. «In einem Dorf wie Elvet kommt man mit so etwas nicht davon.» Sie schwieg. Fast hätte sie hinzugefügt:
Aber mit zwei Morden. Irgendjemand ist damit davongekommen.
«Christopher wird erfahren haben, wo Abigail beerdigt ist. Das weiß doch bestimmt jeder hier.»
«Ja.»
«Er muss früher schon mal auf dem Friedhof gewesen sein», sagte Vera. «Unser Zeuge sagt, dass er an dem Morgen schnurstracks zu ihrem Grab gegangen ist. Es wurde gerade erst hell, aber er wusste genau, wo das Grab liegt.»
«Ich habe keine Ahnung.» Emma spürte, wie sich um sie herum alles drehte. Die Fragen kamen zu schnell. Ihr war schwindelig, schwummerig, als würde sie wieder in einen Traum abgleiten. Es strengte sie an, sich zu konzentrieren. «Christopher war schon immer sehr verschlossen. Schon als kleiner Junge. Er ist oft stundenlang verschwunden, und niemand wusste, wo er war.»
«Gehen Sie manchmal den Weg zum Fluss runter?» Plötzlich hatte Vera das Tempo geändert. Es war, als würde sie bei einem Tee höflich mit ihnen plaudern. «Wenn das Wetter mitspielt, ist es bestimmt ein netter Spaziergang. Schön flach, um den Kinderwagen zu schieben. Ideal für einen Familienausflug.» Obwohl sie die Frage an Emma gerichtet hatte, warf Vera einen verstohlenen Blick auf James.
«Ich bin da schon mal langgegangen», sagte Emma, die dieser Blick verwirrte. Sie fragte sich, was er wohl zu bedeuten hatte. «Ab und zu.»
«Dann erstaunt es mich, dass Sie nie beim Grab waren. Nur so aus Neugier. Sie war Ihre beste Freundin.»
«Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, Abigails Ermordung hinter mir zu lassen.»
Vera warf ihr einen raschen, abschätzenden Blick zu, ließ es aber dabei bewenden.
«Ich glaube, Christopher hat ein Handy benutzt, als er hier war», sagte James.
«Sie glauben? Was
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