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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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blieben sie stehen. Emma wusste, sie sollte weitergehen, über die Straße und ins Captain’s House. James hielt vielleicht schon Ausschau nach ihr.
    «Ich könnte wohl nicht noch einen Kaffee bekommen?», fragte sie. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. «Wie Sie schon sagten, ich habe nur selten die Möglichkeit, ohne den Kleinen wegzugehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Haus jetzt schon wieder ertragen kann.»
    «Aber natürlich.»
    Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was er von ihrer Bitte dachte. Hielt er sie für verrückt? Schob er es auf den Kummer? «Aber vielleicht haben Sie viel zu tun», fügte sie hinzu, «und ich sollte besser gehen.»
    «Aber nein.» Die Tür war verzogen und blieb an einer Steinplatte im Boden hängen. Er lehnte die Schulter dagegen, um sie aufzustoßen. «Ich würde mich über die Ablenkung freuen.» Auf einer Bank gleich hinter der Tür stand eine Reihe Krüge, die er handbemalt hatte, mit ineinanderlaufenden Mustern in tiefen Blau- und Grüntönen.
    «Die sind wunderschön», sagte sie. «Sie lassen einen an Wasser denken. Man hat das Gefühl, in der Farbe zu ertrinken.»
    «Wirklich?» Er sah aufrichtig erfreut aus. «Wenn sie glasiert sind, bekommen Sie einen.»
    Da war es wieder, das flaue Gefühl.
    Sie setzten sich in die kleine Kammer, die sie bei ihrem ersten Besuch gesehen hatte. Er machte Kaffee und entschuldigte sich für den angeschlagenen Becher, dafür, dass er keine frische Milch hatte.
    «Was haben Sie eigentlich da gemacht, am Friedhof?», fragte sie plötzlich. Es war heiß. Ihr war unbehaglich zumute.Jetzt, wo sie hier war, konnte sie nicht mit höflicher Konversation über die Lage hinweggehen. Sie wünschte, sie verstünde sich auf das heitere Geplänkel, das ihren Kommilitonen so leichtgefallen war. «Waren Sie da, um Abigails Grab zu besuchen?» Ihr fiel ein, was er vorhin gesagt hatte, auf dem Weg zurück ins Dorf. «War es, weil Abigail Mantel ein wirklicher Mensch für Sie war, auch wenn Sie ihr nie begegnet sind?»
    Die Frage schien ihn aus der Fassung zu bringen. «Nein», sagte er. «Nichts in der Art.»
    «Es tut mir leid. Es geht mich ja auch nichts an.»
    «Ich habe gehört, dass die Jungs die Woodhouse Farm durchsuchen wollen, und selbst nach all der Zeit ist es schwer, nicht neugierig zu sein. Auf gewisse Weise vermisse ich den Polizeidienst wohl. Die Freundschaften auf jeden Fall. Mit einigen von den Jungs treffe ich mich noch, aber das ist nicht dasselbe.»
    Sie fand den Gedanken traurig, dass er seine früheren Kollegen dabei beobachtete, wie sie zwei Felder weiter ihre Arbeit taten.
    «Sind Sie Abigail denn jemals begegnet, als sie noch am Leben war?» Sie wusste nicht, wie sie auf die Frage gekommen war, und bereute sie sofort.
    Er sah abrupt von seinem Kaffeebecher hoch, den er mit beiden Händen umschlossen hielt. «Nein. Natürlich nicht. Wie denn auch?»
    «Bitte entschuldigen Sie. Es ist alles wieder hochgekommen, seit Christopher tot ist.»
    «Ihm bin ich begegnet», sagte Dan. «An dem Nachmittag, an dem Sie die Leiche des Mädchens gefunden haben, habe ich im Nebenzimmer mit ihm gesprochen, während meine Vorgesetzte mit Ihnen und Ihrer Mutter in der Küche war.»
    «Wenn er den Mörder gesehen hätte, dann hätte er das doch gesagt, oder?»
    «Er hat alle meine Fragen beantwortet. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er etwas verschweigt. Hat er denn jemals was zu Ihnen gesagt?»
    «Nein.» Sie stellte ihren Becher ab. Er war noch fast voll. «Ich sollte gehen. Sie so in Beschlag zu nehmen   …»
    «Kein Grund zur Eile», sagte er. «Das Töpfern ist ein einsamer Beruf. Dass ich mich über die Gesellschaft freue, war nicht gelogen.»
    «Sie sollten sich eine Frau suchen.» Sie sagte das ganz leichthin und war stolz auf den scherzhaften Ton. Das würde ihm klarmachen, dass sie keinerlei Absichten auf ihn hatte.
    «Vielleicht habe ich ja schon eine gefunden. Aber die Dinge entwickeln sich nicht ganz so, wie ich gehofft hatte.» Er sah sie unverwandt an, und ein absurder Gedanke schoss ihr durch den Kopf.
Er will, dass ich frage, was er damit meint. Spricht er etwa über mich?
    «Hören Sie», sagte sie. «Ich muss jetzt gehen. James wird sich schon fragen, wo ich bleibe. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht.»
    «Kommen Sie wieder», sagte er. «Wann immer Sie reden wollen.»
    Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte, und ging, ohne darauf zu antworten. Draußen blieb sie kurz stehen und versuchte, die

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