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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Bettchen, dann ging sie nach unten, um Tee zu kochen. Halb erwartete sie, Chris dort vorzufinden, wo sie ihn zurückgelassen hatte, zusammengesackt am Tisch zwischen den Überresten des Abendessens, aber da war nur noch das Trümmerfeld von gestern. Er musste sich aufgerafft und ins Gästezimmer geschleppt haben. Aber spät musste es gewesen sein, sie hatte ihn nicht gehört. Sie füllte den Wasserkessel, räumte die Spülmaschine ein und schaltete sie an.
    Sie beschloss, den Tee zusammen mit Chris zu trinken, und stellte sich vor, wie sie bei ihm am Bettende hockte, die Decke um die Füße gewickelt, und sie die Unterhaltung vom Vorabend fortsetzten. Es war noch nicht zu spät, um Freunde zu werden. Sie stellte das Tablett am Treppenabsatz ab und klopfte an der Tür. Niemand antwortete. Das überraschte sie nicht. Nach der ganzen Sauferei und so vielen schlaflosen Nächten musste er ja praktisch bewusstlossein. Doch sie ließ nicht locker. Sie klopfte lauter und machte dann die Tür auf.
    Das Bett war leer und unbenutzt, nur ein wenig zerwühlt, als hätte Chris auf den Decken gelegen. Das durcheinandergebrachte Bettzeug war das einzige Anzeichen dafür, dass er überhaupt dort gewesen war. Sein Rucksack war weg, und er hatte keine Nachricht hinterlassen.
    Wieder unten, setzte Emma sich in die warme Küche. Sie trank den Tee, solange er noch heiß war. Nach zwei Tassen rief sie bei ihren Eltern an. Niemand ging ans Telefon.

Kapitel sechzehn
    Michael erwachte wieder zum Leben, er taute auf. Und das tat weh. So wie das Kribbeln oder der Krampf in einem eingeschlafenen Fuß. In der Kirche hatte es angefangen: Da war die Wut aufgewallt, hatte ihn den Wein auf Robert Winter spucken lassen, und damit hatte er den tödlichen Eispanzer durchstoßen. Dann war Vera Stanhope gekommen, dick und herzlich und wohlwollend. Und jetzt fand er keine Ruhe mehr, war ganz zappelig. Er konnte nicht einfach in seinem Bungalow sitzen und darauf warten, dass etwas geschah.
    «Was kann ich tun?», hatte er gefragt, als er aufstand, um die Kommissarin zur Tür zu begleiten. «Ich will helfen.»
    Sie zögerte, und er hielt den Atem an, fürchtete, sie würde von oben herab antworten.
Überlassen Sie das mal schön uns. Wenn mir was einfällt, lasse ich Sie das wissen
. Das Schweigen dauerte so lange, dass er schon dachte, sie würde überhauptnicht antworten. Auf die Straße hinausgehen und ihn da stehenlassen.
    «Mantel», sagte sie schließlich. «Nimmt er noch teil am Dorfleben?»
    «Soweit ich weiß, ja. Ich bin nicht mehr viel unter Leuten, seit Peg   …» Er schämte sich zuzugeben, dass er sich so abgekapselt hatte. Er ging nie aus. Vor seinem Auftritt in der Kirche und Jeanies Begräbnis war er nur einmal im Monat zum Friseur gegangen, und dann an einem Wochentag, frühmorgens, wenn er wusste, dass der Laden leer war.
    «Es wäre ganz nützlich herauszukriegen, was er im Schilde führt. Nicht nur, was die Arbeit angeht. Hat er zum Beispiel eine Freundin da in seinem Luxusschuppen? Wenn die Leute nicht mit mir reden wollen, mit Ihnen werden sie’s.»
    «Haben Sie denn nicht mit ihm gesprochen?»
    «Noch nicht. Das werde ich natürlich, aber zuerst will ich wissen, mit wem ich es da zu tun habe.»
    «Sie glauben doch wohl nicht, dass er seine Tochter umgebracht hat?» Bei dem Gedanken wurde Michael ganz schwindelig. Würden Veras Ermittlungen etwa darauf hinauslaufen?
    Sie gab keine Antwort, blieb einen Augenblick stehen, mitten im Türrahmen, dann sagte sie sehr förmlich: «Auf Wiedersehen, Mr   Long», winkte ihm noch einmal heftig zu und trat auf die Straße hinaus.
    Um die Mittagszeit machte er sich fertig zum Ausgehen. Er zog zwar nicht den Anzug an, den er in der Kirche getragen hatte, doch er wählte seine Kleider sorgfältig aus, wie ein Schauspieler, der durch sein Kostüm schon einen bestimmten Eindruck vermitteln wollte. Jovial, so wollte er wirken. Jovial und entspannt, wie er es früher gewesen war, bevor Abigail Mantel ums Leben kam und Jeanie eingesperrtwurde. Er wählte eine Cordsamthose, auf deren einem Knie immer noch ein Lackspritzer prangte, einen rehbraunen, gerippten Pullover und dazu einen Regenmantel, denn noch immer sprenkelte Regen gegen das Fenster. Draußen werkelte er beim Abschließen ein bisschen ungeschickt mit dem Schlüssel herum, aber die übliche Panik blieb aus. Aufrecht und mit erhobenem Kopf ging er an der Traube Reporter auf dem Platz vorbei.
    Vor der Tür des
Anchor
blieb er stehen und

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