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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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gelegen haben, als Sie zur Alten Kapelle kamen?», fragte Ashworth. «Oder hätten Sie ihn gesehen, als Sie parkten?»
    «Ich saß hinten mit Emma. Wir haben uns unterhalten. Ich habe versucht, so zu tun, als würde es mir nichts ausmachen,dass Christopher schon wieder abgereist war, ohne uns zu besuchen. Aber James und Robert hätten ihn gesehen, wenn er da gelegen hätte. Nein, Christopher muss ums Leben gekommen sein, während wir bei Mantel waren. Er war ganz nah. Und wir konnten nichts tun, um ihm zu helfen.»

Kapitel vierundzwanzig
    «Was halten Sie von ihr?», fragte Vera. «Hat sie die Wahrheit gesagt?»
    «Sie kam mir nicht vor wie jemand, der lügt.»
    Sie gönnten sich eine Pause für Tee und Kuchen. Das war Veras Beschluss. Sie wollte mit Robert Winter reden, aber der war noch in der Kirche – zumindest stand sein Auto auf dem Platz   –, und unterzuckert, wie sie war, wollte sie ihm auf keinen Fall gegenübertreten. Für das Gespräch musste sie in Höchstform sein. Außerdem wäre es ihr unangenehm gewesen, einfach so in die Kirche zu platzen. Was, wenn er gerade betete? Sie sah sich schon neben ihm auf der Kirchenbank sitzen, während er kniete   …
    Ein paar Häuser vom Captain’s House entfernt lag eine Bäckerei. In der Schmiede hatte sie die Hefe und den Zucker gerochen, und Dan hatte ihr den Laden gezeigt. Daneben gab es einen kleinen, dunklen Raum mit ein paar Tischchen, an denen eine dünne Kaffeeplörre und Schinkensandwiches serviert wurden und der pappsüße Kuchen aus dem Laden. Durch das schmale Fenster konnten sie die Kirche und Winters Auto auf dem Platz sehen. Außer ihnen war niemand da – niemand, der zufällig mithören konnte.Die Bedienung stand im Laden und tratschte mit der Frau hinter der Theke.
    «Das vielleicht nicht», sagte Vera. «Aber es gibt einen Unterschied zwischen lügen und die ganze Wahrheit sagen. Sie hat ihre Worte sehr sorgfältig gewählt, fanden Sie nicht?»
    «Den Eindruck hatte ich nicht. Sie haben doch gesagt, Sie halten sie für eine anständige Frau.»
    «Hat nicht viel Freude im Leben, was? Arbeit und Kirche. Glauben Sie, dass das alles ist?»
    «Vielleicht reicht ihr das ja.» Ashworth zuckte die Schultern. «In dem Alter   …»
    «Jetzt hören Sie mal zu, Bürschchen. Sie ist ungefähr so alt wie ich, und sogar ich bringe manchmal noch ein paar Lacher zustande. Aber mir scheint, dass es in Springhead House nicht viel zu lachen gibt.» Sie schaufelte sich Zucker in den Tee. So, wie sie sich fühlte, brauchte sie die Energie. «Glauben Sie, dass ihr Mann sie schlägt?»
    «Nein!» Ashworth war entsetzt. Aber er war auch leicht zu entsetzen. An manchen Tagen bestand Veras einziges Vergnügen darin, eine Reaktion aus ihm herauszukitzeln.
    «Sie glauben also nicht, dass sie Angst vor ihm hat?»
    «Nein», sagte Ashworth gedehnt. «Angst um ihn vielleicht. Sie macht sich Sorgen, weil er so lange in der Kirche bleibt. Eher auf die fürsorgliche Art, würde ich sagen. Als wäre sie die Mutter und er das Kind.»
    «Ein verzogenes Kind», sagte Vera. «Nach allem, was ich gehört habe, hat er beschlossen, Gottes Armee beizutreten, seine Arbeit in York aufzugeben und hier rauszuziehen, und sie ist einfach mitgekommen und hat die Kinder mitgeschleppt.»
    Sie brach ab. Der Anblick Dan Greenwoods, der aus der Töpferei kam und blinzelte, als ihm die kalte Luft ins Gesichtschlug, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ohne die Tür hinter sich abzusperren, lief er über die Straße in die Bäckerei. Vera beobachtete ihn und fragte sich, was er nur an sich hatte, dass sie die Augen nicht von ihm lassen konnte. Er verschwand aus ihrem Blickfeld, aber sie konnten hören, wie er nebenan im Laden eine Pastete mit Schinken und Senf und ein Stück Vanillecremekuchen bestellte. Er ging in die Alte Schmiede zurück, ohne sie zu bemerken.
    «Was ist das eigentlich für eine Geschichte mit Dan Greenwood?», fragte Ashworth.
    «Er hat damals am Mantel-Fall mitgearbeitet», sagte sie. «Fletcher war seine Vorgesetzte.»
    «Wie bei Ihnen und mir also», sagte Ashworth. Er sieht aus wie ein Sechsjähriger, dachte Vera. Am Kinn klebte ihm ein Klecks roter Marmelade aus einem Doughnut. Wirklich noch nicht so weit, dass man ihn allein losziehen lassen konnte.
    «Ja klar, ich sehe ja auch aus wie Caroline Fletcher.»
    «Ist da was gelaufen? War er in sie verliebt?»
    «Nein. Sie hatten nie was miteinander.» Obwohl das Dan nicht davon abgehalten hätte, sich in sie zu verlieben und

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