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Opferspiel: Thriller (German Edition)

Opferspiel: Thriller (German Edition)

Titel: Opferspiel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niamh O'Connor
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geschickt, Gerry. Ich kann nicht blind tippen, was bedeutet, dass es mich eine Menge Zeit und Arbeit gekostet hat. Es liegt jetzt seit einem halben Jahr auf seinem Tisch, sämtliche fünfzig Seiten, das macht weniger als zehn Seiten zu lesen pro Monat. Vielleicht sollte unser Boss einen Kurs in der Erwachsenenbildung in Erwägung ziehen. Wann wird er …«
    »Birmingham, er hatte ziemlich viel zu tun in letzter Zeit. Ich dachte, das sei Ihnen vielleicht aufgefallen. Je höher die Mordrate steigt, desto häufiger wird sein Name pro Zeitungsspalte genannt. Übrigens sind die Morde alle in Ihrem Bezirk passiert. Wie weit sind wir damit?«
    »Hatten Sie schon Ihren Bagel zum Frühstück, Gerry?«
    »Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, ich warte nur darauf, dass Sie auflegen.«
    »Frischkäse?«, riet Jo.
    »Krosser Speck und Guacamole.«
    »Guacamole stößt einem häufig auf. Versuchen Sie es morgen lieber mit einem Croissant.«
    Jo schaute kurz auf ihr Handy und hielt es dann wieder ans Ohr. »Danke, ich fand’s auch nett, mit Ihnen zu plaudern«, murmelte sie, steckte es in ihre Jackentasche und betrat die National Gallery durch den Haupteingang.
    Drinnen schob sie ihre Sonnenbrille ins Haar und ging schwungvoll weiter. Sie wusste, dass kein Freier, der vorhatte, Rita Nulty für Oral- oder Analsex, einen runterholen oder einen Tittenjob oder sonst was zu bezahlen, sie bei ihrer Mutter aufgesucht hätte. Was bedeutete, dass der Mann, der behauptet hatte, der Zwillingsbruder eines Priesters zu sein, nicht wegen Sex nach ihr gefragt hatte, und das bedeutete, dass er der Mörder sein konnte. Wenn er harmlos war, warum dann die Geheimnistuerei? Warum hatte er sich der Rentnerin nicht einfach vorgestellt? Zeitlich passte es auch – direkt vor dem Gemetzel.
    Darüber hinaus hieß es, dass der Täter seinen ersten Fehler begangen hatte, denn jetzt könnte sie ihn möglicherweise von Mrs. Nulty bei einer Gegenüberstellung identifizieren lassen – wenn sie ihn erst einmal hatte. Doch zuvor musste sie herausfinden, wie er seine Opfer auswählte, denn sie zweifelte nicht daran, dass er wieder zuschlagen würde. Er war mit der Liste der Körperteile erst zur Hälfte durch …
    Jos Absätze klackten über das schimmernde Parkett des Museums. Sie kannte sich hier aus wie in ihrer Westenta sche. Vier Flügel, zwei Stockwerke, der Picasso – das Glanz stück – im Zwischengeschoss, und die Symmetrie der sechs Bogengänge im Milltown-Haupttrakt, die das Auge täuschte wie ein Spiegel. Sie war gekommen, um sich die religiösen Motive anzusehen, die die italienische Sammlung beherrschten. Hier hatte sie sich auch mit dem Autounfall auseinandergesetzt und abgefunden, bei dem ihr Vater ums Leben gekommen war. Sie war damals fünfzehn gewesen. In den zwei Jahrzehnten, die seitdem vergangen waren, hatte sie gelernt, mit ihrem Kummer zu leben, was aber nichts an der schlichten Tatsache änderte, dass sie an allem schuld war.
    In jener Nacht hatte sie sich zum ersten Mal betrunken. Die erste Disco. Die erste Zigarette. Die erste Knutscherei – ein Typ in blauen Wildlederschuhen mit Kreppsohle, der auf The Cure stand und mit ihr zu Bros tanzen wollte, dann bei den langsamen Stücken seine Arme um ihre Taille legte. Sie hatte ihm ihre Telefonnummer mit schwarzem Eyeliner auf den Arm gepinselt, nachdem sie zum Schluss der Party bei der Nationalhymne stillgestanden hatten.
    Sie hätte ihren letzten Fünfer dafür verwenden sollen, mit ihrer Schwester Sue nach Hause zu fahren, wie sie es ihrem Vater versprochen hatte, bevor sie losgezogen war. Aber es war einfach zu schön gewesen. Statt ihre leere Flasche auf der Damentoilette mit Leitungswasser aufzufüllen, damit es so aussah, als hätte sie noch was zu trinken, hatte sie mit ihrem Taxigeld noch zwei Budweiser gekauft.
    Sie hatte von einer Telefonzelle vor dem Lokal zu Hause anrufen müssen, um ihren Vater zu bitten, sie abzuholen. Nach dem Unfall hatte sie vorübergehend ihre Sehfähigkeit verloren, und vielleicht lag es daran, dass sie sich so deutlich an alle Geräusche erinnerte: wie der Regen gegen die Telefonzelle prasselte, die Motte, die dauernd gegen die Glühbirne über ihrem Kopf knallte, und das elektrische Zucken nach jedem Aufprall, die Münzen, die klappernd in den Schlitz fielen, das Tuten des Freizeichens wie ein Herzschlag, die runde Wählscheibe, die nach jeder Ziffer zurückschnurrte, die schläfrige Stimme ihres Vaters, als er sagte, er werde kommen und sie vor

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