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Opferspiel: Thriller (German Edition)

Opferspiel: Thriller (German Edition)

Titel: Opferspiel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niamh O'Connor
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ihren Gefühlen dann nach Prozessende auf der Treppe vor dem Gericht Luft, gegenüber der wartenden Journalistenmenge. Gewöhnlich wollten sie vor allem eines kundtun, nämlich dass der Mensch, den sie verloren hatten, ein ganz anderer war als die bei der Verhandlung beschriebene Person, doch eine solche Aussage wurde von Richtern und Anwälten behandelt, als könnte sie den heiligen Tempel der Justiz zum Einsturz bringen. Jo hatte ein echtes Problem mit dieser Vorgehensweise und verstand nicht, warum es statthaft war, den Charakter des Opfers in den Schmutz zu treten, damit die Verteidigung nachweisen konnte, dass der Täter provoziert wurde. Die Strafprozess ordnung sollte sich ein Beispiel am Zivilrecht nehmen, fand sie, und dem Prinzip »Mir ist Unrecht geschehen, und ich verlange Wiedergutmachung« folgen, wenn sie den leidtragenden Familien Gerechtigkeit verschaffen wollte.
    »Erzählen Sie mir von Rita«, sagte Jo, nun bewusst freundlicher.
    Mrs. Nulty starrte sie ausdruckslos an.
    »Was sie für ein Mensch war, meine ich. Was hat sie zum Lachen gebracht? Was zum Weinen? Wer war sie?«
    Die alte Frau zog ein zerknülltes Papiertaschentuch aus dem Ärmel und fuhr sich damit über Augen und Nase. »Sie war eine gute Tochter … bis sie an die Drogen geriet. Sie hatte Leukämie, als sie sieben war, wissen Sie, und sie hat es überlebt. Und wofür?«
    Jo schüttelte den Kopf. »Es tut mir sehr leid.«
    »Fing mit Spraydosen an, als sie zehn war. Setzte sich ihren ersten Schuss Heroin mit dreizehn. Sie hat mal gesagt, dass sie high werden muss, damit sie vergessen kann.«
    »Was vergessen?«
    Mrs. Nulty zuckte die Achseln. »Wen interessiert das jetzt noch? Mein Mann ist tot. Rita ist tot. Das war eine Sache zwischen den beiden.«
    Jo nahm ihre Hand und drückte das Geld hinein. »Sie können ja noch mal darüber nachdenken und auf dem Revier anrufen, wenn Ihnen etwas einfällt, ja? Ich bin sicher, Rita hätte Ihnen das hier geben wollen.«
    Steife Finger mit geschwollenen Knöcheln schlossen sich um die Scheine. »Es hat wahrscheinlich nichts zu sagen, aber da war so was Komisches vor ein paar Tagen«, erzählte Mrs. Nulty auf einmal. »Kein richtiger Priester. Aber er meinte, ich könnte ihm vertrauen, weil sein Zwillingsbruder einer wäre – ein Priester, meine ich. Er hat nach Rita gefragt.«
    Jo runzelte die Stirn. »Hat er seinen Namen genannt?«
    Mrs. Nulty schüttelte den Kopf.
    »Was genau hat er gesagt?«
    »Das ist es ja, er hat eigentlich nichts gesagt. Hat nur gefragt, ob Rita da wäre, und als ich gesagt habe, dass sie nicht da ist, hat er gefragt, ob ich wüsste, wo sie hingegangen ist. Er hat so aus Spaß gemeint, dass ich ihm ruhig vertrauen könnte, und dann kam das mit seinem Zwillingsbruder, dem Priester. Ich wusste aber nicht, wo sie war. Und das habe ich ihm auch gesagt.«
    »Wie alt war er?«, fragte Jo.
    »Ende dreißig vielleicht … Ich bin nicht gut mit dem Alter, aber ich vergesse nie ein Gesicht.«
    Das wäre ein gefundenes Fressen für den Verteidiger, dachte Jo. Er würde gleich nach grauem und grünem Star fragen, nur nicht nach dem, was sie gesehen hatte. Trotzdem, es war ein Anfang. »Können Sie ihn mir beschreiben?«
    »Dunkel, sah nicht schlecht aus, wenn man den Typ mag.«
    »Was für ein Typ?«
    »Wie die Zigeuner, die da auf der Verkehrsinsel kampieren.«
    Vermutlich also Osteuropäer. »Was ist mit einer Handy nummer?«, fragte Jo. »Hatte Rita ein Handy?«
    Die Frau schüttelte erneut den Kopf.
    Jo verlor langsam die Geduld. »Ich muss wissen, wo sie wirklich gewohnt hat«, insistierte sie.
    Mrs. Nulty machte ein erstauntes Gesicht. »Rita hat hier gewohnt, sie war nur nicht da, das ist alles. Das habe ich ihm auch gesagt.«
    Warum willst du es mir nicht verraten?, dachte Jo. Hast du Angst, vor Freunden und Verwandten das Gesicht zu verlieren? Oder willst du nur nicht zugeben, dass du Rita auf die Straße gesetzt hast? Vielleicht wegen irgendeines zweifelhaften Sozialhilfeanspruchs, weil sie hier noch als abhängige Angehörige gemeldet ist.
    »Mrs. Nulty, wir werden den Schuldigen, der Rita um gebracht hat, nicht fassen können, wenn Sie uns etwas verschweigen. Sie war doch Ihre Tochter, zum Donnerwetter!«
    »Sie irren sich«, antwortete Mrs. Nulty mürrisch. »Das hier war Ritas Zuhause.«

7
    Das vierte Opfer lag nackt auf dem Rücken, Arme und Beine ausgestreckt und an die Bettpfosten gefesselt, einen schmutzigen Lappen in den Mund gestopft. Es konnte sich winden und

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