Opferspiel: Thriller (German Edition)
sie hatten.
»Spät geworden?«, fragte er und bot ihr eine Zigarette an.
Sie nahm sie mit einem Nicken und einem weiteren großzügig gebotenen Einblick. Gewiss nicht unbeabsichtigt diesmal.
Er gab ihr Feuer, und sie paffte ein paarmal kurz und nahm dann einen langsamen Zug, spielte mit dem Reißverschluss ihres Oberteils, zwei Zentimeter rauf, drei Zentimeter runter, wieder rauf.
»Irgendeine Vermutung, wer dahintersteckt?«, fragte er.
»Suchen Sie sich’s aus«, sagte sie, sich die Haarspitzen mit den Fingern kämmend.
»Hab gehört, er hätte den Yardies Geld geschuldet. Nach einem Ausflug nach Holyhead vor ein paar Monaten.«
Sie lachte abfällig und verkündete: »Ich verpfeife niemanden.«
Von einem Geräusch hinter sich aufgeschreckt, fuhr Sexton herum. Ein Junge zwischen zwei und drei Jahren stand in einem schmutzigen Schlafanzug barfuß an der Tür. »Mami, ich hab Hunger«, wimmerte er.
»Nicht jetzt«, sagte sie. »Geh zurück und mach die Tür zu, bis ich so weit bin, verdammte Scheiße.«
Sexton musste sich mit jeder Faser seines Körpers beherrschen, um sie nicht an den Haaren in die Küche zu ziehen, damit sie dem Kind etwas zu essen gab. Stattdessen holte er das Foto einer Frau mit langen blonden Haaren aus der Innentasche seines Blazers. Es war ein von ihm selbst gemachter Schnappschuss, die Frau hatte die auf sie gerichtete Linse nicht mal bemerkt, als sie in ihr Auto stieg. »Wie gut hat Anto sie gekannt?«
Glenda warf nur einen flüchtigen Blick darauf. »Nicht sein Typ.«
Sexton rückte näher heran und legte ihr das Foto in den Schoß.
»Sehen Sie noch mal hin. Ich habe nämlich gerade einen Anruf von jemandem bekommen, der daran gearbeitet hat, die Marke des Wagens dieser Dame zu ermitteln. Er wurde von einer Überwachungskamera erfasst. In diesem speziellen Film scheint Anto sie sehr gut zu kennen.« Zwei Atemzüge Pause. »Habe ich schon erwähnt, dass jemand den Mord an ihm gestanden hat?«
Glenda sah ihn verblüfft an.
Er tippte sich an die Nase und zeigte auf das Foto.
»Das war rein geschäftlich zwischen ihnen«, sagte sie.
»Auf dem Film sah es nicht so aus.«
»Da liegen Sie falsch. Anto hat dafür gesorgt, dass ihrer Familie nichts passiert, und im Gegenzug hat sie dafür gesorgt, dass seiner nichts passiert. Also, wer hat gestanden, Anto umgebracht zu haben?«
Sexton stand auf und schnippte seine Kippe in ihren Gaskamin. »Bin leider nicht befugt, das zu sagen.«
Sie fluchte und schnappte sich einen Briefbeschwerer aus Glas auf dem Beistelltisch.
»Schon gut, ich finde alleine raus«, sagte er und duckte sich gerade noch rechtzeitig. Das Glas zerschmetterte wenige Zentimeter über seinem Kopf an der Wand.
Das Kind kam in den Flur gestürzt, um zu sehen, was los war. Sexton überlegte kurz, ob er ihm Geld zustecken sollte, aber seine Mutter würde das selbst im Wohnzimmer riechen, und der Kleine würde nur Probleme bekommen. Als er zurück zum Auto ging und es auf Schäden untersuchte, ehe er einstieg, fühlte er sich noch elender als bei seiner Ankunft.
Beim Anlassen des Motors wurde ihm klar, dass er Ryan Freeman nicht länger heraushalten konnte. Er war auch so schon nicht gut angeschrieben bei Jo Birmingham. Wenn sie herausfand, was er ihr die ganze Zeit verheimlicht hatte, würde er nicht nur von den Ermittlungen ausgeschlossen, dann stand möglicherweise sein Job auf dem Spiel. Und der war alles, was er hatte, seit Maura gestorben war. Doch nachdem er die Lagerhalle gesehen hatte, in der Katie festgehalten worden war, würde er zuerst noch mit einer letzten Person sprechen. Der Frau auf dem Foto.
28
Dan packte Jo am Ellbogen und dirigierte sie gleich wieder aus seinem Büro hinaus. Draußen im Gang stellte er sie zur Rede. »Wo warst du, zum Teufel? Weißt du, wie lange ich dich habe ausrufen lassen?«
»Warum hast du mir nichts davon gesagt, dass Rory die Schule schwänzt?«, fragte sie scharf.
Dan sah sie an, als hätte er nicht richtig gehört. Er hatte sich beim Rasieren geschnitten, bemerkte Jo, und vergessen, den Papierfetzen zum Aufsaugen des Bluts abzuziehen. Sie legte ihre Hände auf den Rücken und ließ sie dort.
»Dafür ist jetzt keine Zeit. Ist dir nicht klar …«
»Ich bin seine Mutter, verdammt noch mal!«
Er hob resigniert die Arme und ging wieder hinein, blickte sich aber gleich noch mal nach ihr um, ob sie auch nicht wieder verschwand.
Auf der anderen Seite der Tür frischte Jeanie gerade mit einem Compactpuder ihr Make-up
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