Opferspiel: Thriller (German Edition)
gewandt fort, »und mir mitgeteilt, dass er uns personell verstärken will und unserem Team diese drei Kollegen zuteilt.«
Jo nickte knapp. Es erleichterte sie zu hören, dass er nicht die treibende Kraft bei diesem Hinterhalt gewesen war.
»Wir sind froh, Sie hier bei uns zu haben. Soweit ich weiß, hat jeder von Ihnen die Berichte zu den Fällen schon gelesen. Vielleicht könnten Sie uns nacheinander eine erste Einschätzung geben.«
Jo verschränkte fest die Arme.
Dan beugte sich über seinen Tisch. »Dann fangen wir mal an, ja?« Er wandte sich an den Profiler. »Dave, was sagen Sie dazu? Mit was für einem Täter haben wir es Ihrer Meinung nach zu tun?«
Dave Waters stand auf und hakte seine Daumen in den Bund seiner Jeans mit Bügelfalten. Ein Schal im Collegestreifen-Look war um seinen Hals geschlungen. »Wir haben es mit einer narzisstischen Persönlichkeit zu tun«, erklärte er.
Jo fing an, Blätter von Dans Geranie zu zupfen.
»Er ist ein Egomane, der der Polizei mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits durch frühere Verbrechen bekannt ist.«
»Was halten Sie von Jos Theorie eines religiös-katholischen Motivs?«, fragte Dan.
»Nicht viel, fürchte ich«, antwortete Waters. »Die Scharia sagt das Gleiche in puncto Auge um Auge – sollen wir also vielleicht auch Mitglieder der muslimischen Gemeinde unter die Lupe nehmen?«
»Für so etwas haben wir jetzt keine Zeit«, unterbrach Jo brüsk. »Es tut mir leid, aber ich habe bereits einen Zusammenhang zwischen den Morden ermittelt und weiß, wer sich der Täter zu sein anmaßt …«
»Soll das heißen, dass sich der Stand der Ermittlungen geändert hat und Sie inzwischen einen Verdächtigen haben?«, fragte Jenny Friar und strich die Falten in ihrem Rock glatt.
Ein Designerteil, so was kann sich nur eine Frau leisten, die ihr ganzes Gehalt für sich selbst zur Verfügung hat, dachte Jo. »Der Mörder hält sich für eine Art Racheengel. Alle Opfer haben ihm aus seiner Sicht irgendwie unrecht getan, und wenn wir herausfinden, auf welche Weise, dann haben wir ihn. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich muss wieder an die Arbeit.«
Friar stand auf und lehnte sich an Dans Schreibtisch, womit sie Jo den Weg versperrte.
»Haben Sie einen Verdächtigen oder nicht?«, fragte sie in autoritärem Ton.
»Seien Sie nicht albern, ich bin erst seit vierundzwanzig Stunden an dem Fall dran.«
»Nun, ich bin erst seit zwanzig Minuten dabei und kann einen Verdächtigen benennen«, erwiderte Friar. »Er hat hier auf diesem Revier ein Geständnis bei DI Gavin Sexton abgelegt. Er heißt Andy Morris, aber sein Spitzname ist Skinny, glaube ich.«
29
Jo rief Sexton unterwegs zu dem Block in der Pearse Street an, in dem Skinny wohnte. Sie sprach kurz angebunden, befahl ihm nur, sich dort mit ihr zu treffen, und weigerte sich, den Grund dafür zu nennen. Sexton wollte eigentlich zu Stuart Balls Mutter und klang nicht begeistert darüber, dass er seine Pläne ändern musste. Tja, da waren sie schon zwei.
Sie wurde von Minute zu Minute wütender. Schon zum zweiten Mal hatte er sie heute nicht über einen Alleingang informiert, und es war ihre Untersuchung! Wie hatte er ihr verschweigen können, dass er jemanden vernommen hatte, der den Mord an Crawley gestanden hatte? Sie würde darüber hinwegkommen, dass Jenny Friar ihr das triumphierend unter die Nase gerieben hatte, aber wirklich unerträglich war der Blick gewesen, mit dem Dan sie bedacht hatte. Es hatte doch tatsächlich Mitleid darin gelegen. Was ging nur in Sexton vor?
Jo klopfte bei dem Verdächtigen an, hämmerte dann mit der Faust ans Fenster. Es gab keine Klingel und schon gar keinen Türklopfer. Skinny war entweder nicht zu Hause oder stellte sich tot. Um herauszufinden, was zutraf, ging sie zur Nachbarswohnung, hatte die Tür aber noch nicht berührt, als ein alter Mann in einem Netzhemd und mit dicker Brille und hochgezogener Hose erschien und ihr riet, es im Stadtteilzentrum von St. Andrews zu versuchen, wo gerade ein Treffen der Elterninitiative gegen Drogen stattfinde. In den Achtziger- und Neunzigerjahren hatte die Initiative die Angst und Wut von Eltern gebündelt, die ihre Kinder an die Sucht verloren hatten oder zu verlieren fürchteten und sich organisierten, um die Dealer aus dem Viertel zu vertreiben. Wenn sie nun wieder aktiv war, zeigte das eindringlich, wie sehr sich das Drogenproblem in diesem Teil der Stadt aufs Neue verschärft hatte.
Sexton bog in die Wohnanlage ein, als
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