Opferspiel: Thriller (German Edition)
dunkelbraunen Haare lichteten sich bereits. Seine Arme waren über und über tätowiert, und auf dem linken prangte eine Liste von Vornamen unter den Buchstaben R.I.P.
Foxy verrenkte sich den Hals, um die Namen der Verstorbenen zu lesen, und hielt dabei eine Hand über Nase und Mund wie der tote Bandenchef Martin Cahill, genannt »Der General«, wenn er eine Kamera sah. Jo suchte nach Abwehrspuren auf Crawleys Haut, während Sexton Foxy anstieß, um ihn auf die Größe von Crawleys Glied aufmerksam zu machen.
»›Zeige mir, wie eine Nation für ihre Toten sorgt«, sagte Foxy zu ihm, »und ich kann mit mathematischer Genauigkeit das Erbarmen und Mitgefühl ihrer Völker bemessen, ihre Treue zu hohen Idealen und ihre Achtung vor den Gesetzen des Landes.‹ Er zitierte William Gladstone, den Ausspruch, der über dem Eingang des Coroner’s Court stand, des Gerichts zur Feststellung von Todesursachen neben dem Bahnhof.
Hawthorne verdrehte die Augen zum Himmel. Wenn man bedachte, dass sie sich in einer Art Wohnwagen aufhielten, fand sogar Jo das etwas zu viel des Guten.
»Sehen Sie hier.« Hawthorne zeigte auf ein paar weiße Stellen an Crawleys Nasenlöchern. »Die Blutspuren sagen uns, dass die Zähne entfernt wurden, als er noch lebte, und diese Schaumflecken bestätigen das. Man findet Spritzer vor, wenn ein Opfer erschlagen wurde, Schmierspuren an den Gliedmaßen weisen darauf hin, dass es um sich geschlagen oder getreten hat, lang gezogene Spuren zeugen davon, dass das Opfer weggeschleift wurde, und strahlartig ausgetretenes Blut, wie in diesem Fall, heißt, dass das Herz nach der tödlichen Verletzung noch gepumpt hat.«
»Und das bedeutet?«, drängte Jo.
»Das bedeutet«, führte Hawthorne ungeduldig aus, »dass der Verstorbene Panik bekommen hat, vermutlich, weil jemand ihm die Zähne herausgerissen hat, was dazu führte, dass sein Herz schneller schlug, seine Lunge schwerer arbeitete und er aufgrund der Mundverletzung viel Blut schluckte. Der Tod trat rein technisch gesehen durch Ertrinken ein. Dieser weiße Schaum, den Sie hier an seiner Nase sehen, ist aus Schleim und Luft entstanden. Wir werden wieder auf ihn treffen, wenn wir einen Querschnitt durch die Bronchien und die Luftröhre machen. Es war relativ wenig Blut am Tatort. Ich schätze, wir werden das meiste davon in seiner Lunge vorfinden, die ziemlich aufgebläht sein wird, wenn wir sie herausnehmen. Sie kann zwei Liter Flüssigkeit fassen, wissen Sie.«
Jo zeigte auf die signifikante Wunde rechts von Crawleys Brustbein, die gleiche, die auch Rita aufwies, und die zu ihrer Theorie des ungläubigen Thomas geführt hatte. »Wissen Sie etwas über die Bedeutung dieser Wunde für fromme Christen?«
Hawthorne hüstelte gereizt.
»Sie hat Jesus’ Tod beschleunigt«, mischte sich Foxy ein. »Das habe ich gestern Abend in einem von Sals Büchern gelesen.« Er bemerkte ihr Stirnrunzeln. »Nachdem ich mich eine Runde aufs Ohr gelegt hatte, natürlich. Christus starb nach drei bis sechs Stunden am Kreuz, was sogar Pontius Pilatus überrascht haben soll.«
»Das gleiche Analgetikum …«, bemerkte Hawthorne.
»Irgendwelche sexuellen Handlungen?«, fragte Jo.
Hawthorne schüttelte den Kopf.
»Wie sieht’s mit einer Waffe aus?«
»Ich tippe auf ein Schwert, so eines wie es die römischen Zenturios hatten, wissen Sie. Die Spitze könnte das hier verursacht haben.« Der Pathologe wies auf das Brustbein. »Außerdem habe ich die Verletzungen an Rita Nultys Armknochen und -muskeln untersucht – alles ganz glatt und sauber, kein Reißen und Zerren, was darauf hindeutet, dass Ihr Mann die Gliedmaße mit einem Schlag abgetrennt hat.«
Jo dachte an die Notizen, die sie sich bei ihrer zweiten Besichtigung des Schauplatzes von Ritas Tod gemacht hatte, und an ihre Hypothese, dass der Angreifer einen langen Mantel getragen hatte. Wenn der Mörder ein Schwert dabeigehabt hatte, musste es ihm irgendwie gelungen sein, es zu verbergen. »Ich gehe jede Wette mit euch ein, dass unser Mörder einen Talar oder etwas Ähnliches anhatte.«
37
Zurück auf dem Revier hob Jo eine Jalousie an, um das Getümmel der Reporter draußen besser überblicken zu können. Ein Übertragungswagen von TV3 stand links um die Ecke im absoluten Halteverbot, doch die junge Frau in Caterpillar-Boots und Steppblouson, die aus ihm herausgesprungen war, interessierte sich weit mehr für das Aufstellen ihres Kamerastativs als für den Streifenpolizisten, der gerade einen Strafzettel unter
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