Opferspiel: Thriller (German Edition)
unbehaglich nahe an den Tatorten.
»Dann war da noch so ein Abend«, fuhr Foxy fort, »als einer der Jungs seine Beförderung gefeiert hat und ich irgendwie mit reingeraten bin …« Er wedelte mit der Hand auf und ab, um ihr zu bedeuten, dass sie langsamer fahren solle.
Sie seufzte. Foxy war ein noch schlimmerer Beifahrer als sie selbst, fand sie, und das wollte etwas heißen.
»Du weißt ja, wie das so geht, du sagst Nein, du willst kein Bier mehr, und dann stellt dir trotzdem wieder einer eins hin. Die Jungs wollten noch zu Lillie’s Bordello, und ich dachte, warum nicht? Sal war auf Klassenfahrt, sodass ich nicht nach Hause musste und mir notfalls die ganze Nacht um die Ohren schlagen konnte.«
Jo lächelte. Das war, als würde sie sich ihren Vater in einem angesagten Club beim Abchecken von Frauen vorstellen.
»Ich bin nicht wegen der ›Action‹ mitgegangen«, stellte Foxy klar. »Wer interessiert sich schon für einen alten Knacker wie mich? Ich wollte einfach nur mal sehen, wie es dort ist. Das ist so ein Laden, dachte ich immer, wo sie mich wahrscheinlich nicht reinlassen würden, wenn ich allein käme.«
»Erzähl weiter«, sagte Jo.
»Also habe ich mich der Bande angeschlossen, und Mac hat uns alle reingebracht und dabei den Türstehern auf die Schultern geklopft. Und drinnen, das hättest du mal sehen sollen – die Frauen sind total um ihn rumgeschwirrt. Aber nicht irgendwelche Frauen, sondern solche, wie man sie in den Zeitungen und diesen VIP -Magazinen sieht, alle irgendwie orangebraun und stöckeln Arm in Arm auf die Damentoilette, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Dann lass uns mal diskret seine Verhältnisse durch leuchten«, sagte Jo. »Herausfinden, woher er das viele Geld hat, und ob es irgendetwas gibt, das einen religiösen Wahn bedingen könnte, ja?«
Foxy nickte.
Sexton war vor ihnen beim Leichenschauhaus eingetroffen und jammerte über den weiten Weg, den er über den Parkplatz bis zur Straße zurücklegen musste, wenn er mal eine rauchen wollte, nun, da auf den Grundstücken von öffentlichen Gebäuden Rauchverbot herrschte. Angesichts der Tatsache, dass sich die Leichenhalle ganz hinten auf dem Feuerwehrübungsgelände befand, wo unter strenger Aufsicht regelmäßig Häuser, Autos und irgendwelche Behälter in Brand gesetzt wurden, konnte er nicht einmal heimlich eine qualmen.
Jo hatte kein Mitleid mit ihm. Sie wäre zehn Meilen für eine Zigarette gegangen, wenn sie noch rauchen würde. Daher grunzte sie nur zur Antwort, zumal sie sauer war, dass er sie bezüglich der Tipps an Ryan Freeman angelogen hatte.
»Was halten Sie davon, dass Mac uns nicht gesagt hat, dass er Rita Nulty kannte?«, fragte er. »Meinen Sie, er ist in die Sache verwickelt?«
»Sie bleiben hier draußen und halten Wache«, befahl sie ihm brüsk. Bei Autopsien, die öffentliches Aufsehen erregten, waren solche Vorsichtsmaßnahmen manchmal nötig, und Anto Crawley gehörte gewiss in diese Kategorie. Das Grab des pädophilen Pfarrers Brendan Smyth, der zahlreiche Kinder sexuell missbraucht hatte, hatte damals mit Beton ausgegossen werden müssen. Und Crawley galt bis zu seinem Tod sozusagen als Staatsfeind Nummer eins.
»Sie wollen mich ärgern, stimmt’s?«, sagte Sexton, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Sie denken doch nicht, dass ich dieses Interview mit der alten Mrs. Nulty organisiert habe, damit ich Ihnen den Fall wegnehmen kann?« Wenigstens sah er schockiert aus.
»Ihr Kumpel Ryan Freeman war als Verfasser angegeben«, bemerkte Jo. »Und falls Sie nicht die Rolle eines besseren Wachmanns bei diesem Fall spielen wollen, werde ich mich von jetzt an allein um Freeman kümmern.«
Sie kehrte ihm den Rücken zu und ging zusammen mit Foxy in den Container, während Sexton hinterherschlurfte. Anto Crawley lag auf dem Seziertisch und wurde von Hawthorne gerade wieder zugenäht.
»Hätten Sie nicht warten können?«, beklagte sie sich.
»Ich bin heute allein«, schnauzte Hawthorne und zeigte auf eine zweite, noch nicht untersuchte Leiche auf einem Tisch am anderen Ende. »Der andere Pathologe musste zu einem Mord mit Selbsttötung an einer fünfköpfigen Familie in Donegal, und mein Laborant hat sich krankgemeldet.«
Jo betrachtete Crawley. Kaum zu glauben, dass dieses wächserne, eingefallene, muffige Wrack einmal im ganzen Land so viel Unheil angerichtet hatte. Sein Unterkiefer hing schlaff herab, sein offener Mund war eine Grube voll geronnenem Blut, und seine drahtigen
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