Opferzahl: Kriminalroman
weißt schon.«
»Im Netz?«, fragte Hjelm. »Zum Chatten?«
»Ja. In der Art. Es war spannend, verboten. Es war wie eine Rückkehr in die Jugendjahre. Plötzlich waren überall Bräute. Du verstehst?«
Hjelm nickte. Er dachte an Chavez' Vergangenheit. Die wilden Junggesellenjahre. Und er dachte an sein eigenes Junggesellenleben. Er dachte an die Einsamkeit in seiner früheren Ehe, an die höllische Einsamkeit in der Zweisamkeit. Und er dachte an Sara Svenhagen, die phantastische Sara Svenhagen. Und er hörte auf zu nicken. Stattdessen schüttelte er den Kopf. Idiot, dachte er. Du verdammter blöder Idiot.
»Was geschah dann?«, fragte er nur.
»Ich hatte nie daran gedacht, wirklich etwas zu unternehmen«, sagte Chavez. »Es war nur ein Spiel, ein verlockendes Spiel. Ich kam in Kontakt mit einer Frau auf einer Chat-Seite, die sich Viktualia nannte. Ich selbst nannte mich Vollnerd - das kam gut an, als Selbstironie. Wir haben ein bisschen herumgealbert. Plötzlich erzählte sie, dass eine Party stattfinden würde. In real life. Sie fragte, ob ich mitkäme.«
»Eine Party?«, wiederholte Paul Hjelm.
»Eine ungezwungene Party. Bräute. Du weißt.«
»Nein, Jorge«, sagte Hjelm etwas schärfer. »Ich weiß nicht.«
»Nein«, sagte Chavez tonlos. »Eine Party, die ein bisschen was kosten sollte.«
»Ein Bordell, schlicht und einfach«, konstatierte Hjelm.
»Alle Wünsche sollten erfüllt, alle Träume verwirklicht werden. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ich konnte mich nicht davon befreien. Ich war wie verhext.«
»Und dann?«
»Ja, dann kamen die Instruktionen. Die letzte Linie 19 in der Nacht zu Freitag, ganz hinten im Zug. Erst dort sollten wir erfahren, wohin es ging. Irgendwohin im Süden. Hagsätra vielleicht.«
»Wir?«
»Männer, vermute ich. Männer wie ich. Scheiße.«
»Du bist also hingegangen?«
»Ich ging über die St.Eriksbro, um nicht an meiner normalen Station, St. Eriksplan, einzusteigen. Ich dachte, ich wäre da etwas anonymer. Der Ruf, du weißt. Der Toten Tatenruhm. Und gleichzeitig ging ich langsam. Als ob ich irgendwie nicht rechtzeitig da sein wollte. Und das wollte ich wohl auch nicht. Ich weiß nicht, was ich wollte. Einfach nur, dass zwischen Sara und mir wieder alles gut wäre.«
»Und dann?«
»Ich habe die U-Bahn natürlich verpasst. Als ich beim U-Bahn-Eingang Fridhelmsplan ankam, kam die Explosion, der Rauch, wie, ich weiß nicht, wie ein Gebrüll aus den Eingeweiden. Der Rauch kam aus dem Treppenabgang gequollen wie bei einem frischen Vulkanausbruch. Und da habe ich einfach kehrtgemacht und bin so schnell wie möglich über die St. Eriksbro zurückgegangen nach Hause und habe mich ins Bett gelegt. Sara schlief schon. Natürlich. Sie war wie immer mit Isabel eingeschlafen.«
»Und was hast du dir dann gedacht?«
»Ich dachte, ich müsste alles auf diesen Fall setzen. Ich dachte, ich muss um jeden Preis zurück zu Sara. Und sie muss mir etwas angemerkt haben, denn am Abend danach hat sie einen gemütlichen Abend und Babysitter und alles organisiert. Und dann habe ich einfach die Fassung verloren. Ich habe geweint wie ein Kind. Wir haben uns geliebt. Und alles war wieder gut.«
»Hm«, sagte Paul Hjelm. »Aber du weißt, dass Arto und Viggo wie verrückt herauszufinden versuchen, was das eigentlich für eine seltsame Versammlung da hinten im Wagen Carl Jonas war. Das steht im Intranet. Und du hast es die ganze Zeit gewusst. Wie kannst du behaupten, es habe nichts mit dem Attentat zu tun? Sie vergeuden eine Wahnsinnsmenge Arbeitsstunden, um herauszufinden, was du schon weißt.«
»Aber die Sache ist doch die, dass ich gar nichts weiß«, sagte Chavez mit Tränen in den Augen. »Das ist es doch.«
»Hör mal«, sagte Hjelm. »Die Männer da hinten im Wagen waren alle unterwegs zu einem Bordell im Süden der Stadt. Natürlich ist das eine relevante Information. Das bedeutet, dass die beiden oder die drei Mädchen da hinten Prostituierte waren. Und dass deine Kontaktfrau Viktualia eine von ihnen war. Du hast mit einer Hure gechattet.«
»Aber das hat nichts mit der Bombe zu tun. Und ich weiß nichts über die Männer und auch nicht über die Mädchen. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mit voller Überzeugung an diesem Fall arbeiten kann, ohne mich eines größeren Fehlers schuldig zu machen. Eines kleinen Fehlers, ja, was die Polizeiarbeit betrifft, aber keines größeren. Ein bisschen Mehrarbeit für Arto, er findet es sowieso
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