Opferzahl: Kriminalroman
Bredängsvägen 244 war leicht zu finden, und man brauchte kein Mathematikgenie zu sein, um sich auszurechnen, dass er vor Holm und Chavez dort sein würde. Auch zu ihm war das Gerücht von Kerstin Holms Spielzeugauto vorgedrungen.
Er parkte nicht weit vom Bredängstorg vor der Tür des ansehnlichen Mietshauses und wartete.
You don't remember
You don't remember
Why don't you remember my name?
Zehn Minuten später kam ein bronzemetallicfarbener Toyota Prius auf dem Bredängsväg angerollt und parkte auf der anderen Straßenseite. Kerstin Holm und Jorge Chavez stiegen aus. Kerstin sah aus, als hätte sie sehr lange nicht mehr geschlafen, aber Jorge wirkte überraschend frisch. Die gleiche geballte Energie wie immer. Die Energie also.
Als Paul Hjelm aus dem Auto stieg, waren ihm die Komplikationen tief bewusst. Nicht nur, dass diese beiden zu den Menschen gehörten, die ihm im Leben am nächsten standen, sowohl privat als auch beruflich. Kerstin Holm war darüber hinaus die Chefin von Chavez, und das machte es noch verzwickter, die Angelegenheit inoffiziell zu regeln.
Außerdem hatte sie ihm gerade eine sehr schöne Wohnung in der Heleneborgsgata weggeschnappt. Aber das wusste sie vermutlich nicht.
Kerstin zu begegnen, war immer ein wenig speziell.
Jedenfalls war es am besten, Chavez auf freiem Feld zu konfrontieren. Ohne in offizielle Räume eingesperrt zu sein.
Sie starrten ihn von der anderen Straßenseite aus erstaunt an, während er auf sie zukam. Es sah aus, als trauten sie ihren Augen nicht.
»Paul?«, sagte Kerstin mit entsprechendem Tonfall.
»Hej, ihr zwei«, grüßte Paul Hjelm. »Ich weiß, das sieht jetzt vielleicht wie ein komischer Zufall aus, aber ich muss mit Jorge reden.«
In beiden schien für einen kurzen Moment etwas zu erbeben.
»Was ist passiert?«, fragte Holm.
»Vielleicht gar nichts. Kann ich mit dir unter vier Augen reden, Jorge. Nur ein paar Minuten?«
»Mann, wir stehen unmittelbar vor einem Zugriff«, sagte Chavez. »Es ist gut möglich, dass der Anführer der heiligen Reiter von Siffin sich dort drinnen bei seiner schwedischen Freundin versteckt hält. Der Mann, der die U-Bahn gesprengt hat.«
»Unter vier Augen?«, sagte Holm skeptisch.
»Eine Privatsache«, bestätigte Hjelm.
»Später«, sagte Chavez und versuchte, an Hjelm vorbei zu der Tür zu gelangen, die mit der Nummer 244 bezeichnet war.
»Nur ein paar Minuten«, sagte Hjelm und hielt ihn am Arm fest. »Jamshid Talaqani kann ruhig noch ein paar Minuten in Anna Bloms Wohnung sitzen bleiben. Wenn er überhaupt da ist.«
»Was weißt du davon?«, fragte Holm überrascht. »Es hat viel Zeit gekostet, diese Anna Blom zu finden.«
»Ich weiß alles«, sagte Paul Hjelm und lächelte.
Kerstin Holm machte eine ungläubige Miene, kratzte sich am Kopf und sagte nach einiger Bedenkzeit:
»Ich behalte die Tür im Auge. Aber nur ein paar Minuten.«
Paul Hjelm zog Jorge Chavez zu einer nahe gelegenen Parkbank und klopfte darauf. Chavez setzte sich widerwillig -
»Du weißt, weshalb ich hier bin«, sagte Hjelm. »Was zum Teufel machst du?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, entgegnete Chavez und schaute in weite Ferne.
»Doch«, sagte Hjelm. »Das weißt du genau. Hast du gedacht, es löst sich einfach in Luft auf? Du bist genau mit diesem Fall befasst. Und steckst privat mittendrin.«
Chavez' Blick war die ganze Zeit ohne einen Hoffnungsschimmer gewesen. Erst jetzt wurde Paul Hjelm bewusst, dass Chavez all die Energie in jenem Augenblick verlassen hatte, als er Paul Hjelm erblickte. Alles war zusammengebrochen.
»Das hatte nichts mit der Sache zu tun«, sagte Chavez finster.
Hjelm wartete auf mehr.
»Es ändert nichts«, fuhr Chavez fort. »Ich habe es hin und her gewendet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es nichts ändert.«
Wieder zog Paul Hjelm es vor, abzuwarten. Chavez sagte, den Blick immer noch in die Ferne gerichtet:
»Es hatte nichts mit dem Attentat zu tun, in keinster Weise. Außerdem habe ich die U-Bahn verpasst.«
»Erzähl alles, dann sehen wir, was wir retten können.«
Chavez schüttelte den Kopf. Hjelm sah zu Kerstin hinüber, die am Auto stand, und er sah, dass sie es sah. Dass sie die Dimensionen des Kopfschütteins sah.
»Wir haben eine schlechte Zeit gehabt, Sara und ich, ein halbes Jahr lang. Das weißt du, du hast es mitbekommen. Ich habe das Gefühl gehabt, nicht gesehen zu werden. Dann habe ich mich ein bisschen im Netz umgesehen. Du
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