Opferzahl: Kriminalroman
ging um das Auto herum, um auf die Straße zu treten.
In dem Augenblick kam ein Paar aus der Tür des Hauses Bredängsvägen 244. Der Mann war dunkel, und sie war blond, sie legten einander die Arme um die Schultern, und ein schneller Blick genügte, um zu erkennen, dass es Jamshid Talaqani und Anna Blom waren. Kerstin Holm schob die Hand in die Jacke und war im Begriff, auf die Straße zu treten.
Da hörte man ein Auto, das heftig Gas gab. Instinktiv packte Hjelm Kerstin Holm am Arm und riss sie zurück. Das Auto näherte sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit. Es zielte genau auf das Paar. Und schleuderte es, gelenklosen Puppen gleich, in die Luft, über zehn Meter weit. Als sie auf den Asphalt aufschlugen, waren sie bereits tot und mehr als die Hälfte der zweihundertundsechs Knochen in ihren Körpern waren gebrochen.
Aber keiner sah, wie sie aufschlugen.
Nicht Paul Hjelm, nicht Kerstin Holm, nicht Jorge Chavez.
Alle drei Zeugen sahen in eine andere Richtung. Hinter dem Auto her. Hinter dem dunklen Gesicht des Fahrers her, seiner grünen Baseballkappe mit dem langem Schirm und der Sonnenbrille mit goldener Fassung.
Als sie zu den zerschmetterten Körpern liefen, war das Auto längst verschwunden.
Kerstin Holm sah von Anna Bloms zerfetzter Leiche auf, verbarg das Gedicht in den Händen und sagte leise:
»Euer beschissenes privates Gespräch hat sie getötet.«
Hjelm starrte Chavez an. Chavez starrte zurück.
»Ich hoffe, dass es das wert war«, sagte Kerstin Holm.
*
»Drei Frauen«, sagte Arto Söderstedt zum fünfzehnten Mal, »bewachen neun Männer. Was bedeutet das? Warum ist nach Geschlechtern aufgeteilt? Natürlich weil es gerade darum geht, Geschlecht. Natürlich weil es um den Handel mit Geschlecht geht.«
Er beobachtete Viggo Norlander, der wirklich authentisch müde aussah, wie ein alter, zäher Bulle in einem schwedischen Krimi. Unter anderen Umständen hätte Söderstedt sich gefragt, was eigentlich mit ihm los war.
»Okay«, sagte Norlander schleppend. »Aber trotz der ganzen Überstunden unserer Computerspezialisten hat keiner auch nur den geringsten Hinweis in den Computern der Herren gefunden. Warum nicht?«
»Vielleicht sind die Herren aufgefordert worden, alle Spuren zu löschen?«
»Aber dieses >Vielleicht bringt uns kaum weiter.«
»Es war ja Lenas Idee«, sagte Söderstedt. »Anfangs war ich skeptisch. Es sah wirklich so aus, als sei Alicia Ljung auf dem Weg nach Hause gewesen. Aber vielleicht war sie das gar nicht. Vielleicht ist es nur ein Zufall, dass sie an der grünen Linie wohnt. Dann wäre sie wirklich eine der drei Wachen. Sie versperren den hinteren Teil des Wagens Carl Jonas und passen auf, dass kein Unbefugter zusteigt. Denn alle dort haben das gleiche Ziel. Die Frauen sammeln unterwegs Leute ein. Männer. Guck dir die Klientel an: Ein einziger verheirateter Mann, und der lebt in einer lausigen Ehe - der Rest sind Loser, unfreiwillige Langzeitjunggesellen. Sie sind genau genommen typische Sexkunden. Der verschüchterte Student, der einsame Taxifahrer, der übergewichtige Meeresbiologe, der alternde Unternehmer aus der Computerbranche.«
»Aber keiner von ihnen ist vorbestraft«, sagte Norlander.
»Ich weiß. Der normale Sexkunde ist nicht vorbestraft.«
»Wir treten auf der Stelle.«
»Ich weiß.«
Eine Weile saßen sie schweigend da und sahen sich an. »Scheiße«, sagte Viggo. »Ich weiß«, sagte Arto.
Da klingelte das Telefon. Arto Söderstedt nahm ab und hörte zehn Sekunden schweigend zu. Viggo Norlander kam es wie eine gute Stunde vor. Schließlich sagte Arto:
»Wir kommen.«
Genau in diesem Moment ertönte ein akustisches Signal vom Computer. Die Ermittlung im Intranet wuchs unaufhörlich. Sie versuchten, damit Schritt zu halten, so gut es ging. Söderstedt zeigte auf den Bildschirm und sagte:
»Sieh du nach, ob es was Wichtiges ist, dann gehe ich in den Computerraum.«
»Miese Arbeitsteilung«, brummte Norlander.
»Es kann ein falscher Alarm sein«, sagte Söderstedt. »Aber die Kollegin, die an Alicia Ljungs Computer sitzt, glaubt, etwas gefunden zu haben. Ich sehe es mir an.«
Norlander nickte ungnädig und holte die neuen Ermittlungsergebnisse auf den Bildschirm. Da stand:
»Drei neue Tote identifiziert, und zwar die folgenden, entsprechend dem bestehenden Schema: Person 2, Person 5, Person 6. Weitere Information unter folgendem Link.«
Doch was Viggo Norlanders Blick anzog, stand weiter unten:
»Das
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