Opferzahl: Kriminalroman
den Tod.
Als er sie sah, leuchtete etwas in seinen Augen auf, und das war nichts Geringeres als Hoffnung.
Er stand auf und betrachtete die drei keuchenden Gestalten. So hatte er sich den Tod nicht vorgestellt. Den heiligen, strahlenden Tod, an dem ihm mittlerweile nichts mehr gelegen war. Man konnte ihm ansehen, dass dieser noch mindestens ein halbes Jahrhundert warten konnte.
»Arman Mazlum?«, keuchte Sara Svenhagen.
Arman nickte. Ohne ein Wort führten sie ihn zurück zu dem Haus. Fast am Waldrand angekommen, sagte Arman:
»Wir wussten nicht einmal, dass er angerufen hat.«
»Jamshid?«, fragte Sara Svenhagen.
»Ja«, sagte Arman. »Er hat es von sich aus getan. Wir begriffen nichts.«
Ein Auto startete jenseits des Waldrands.
Autos starteten hier draußen ständig, ein wenig bockig und widerwillig nach einem herrlichen Wochenende, das zwar von leichter Terrorismusangst überschattet, aber im Großen und Ganzen von der Außenwelt unbeeinflusst gewesen war. Keiner wollte in die Stadt zurück. Fast alle mussten es. Es war also nichts Besonderes, dass ein Auto startete.
Trotzdem reagierten alle vier instinktiv. Arman schrie:
»Berra!«
Er riss sich los und rannte die letzten vielleicht dreißig Meter durch den Wald. Die drei Polizisten waren direkt hinter ihm, mit gezogenen Waffen.
Als sie aus dem Wald kamen, wehte eine Staubwolke über Kristianssons Grundstück. Gunnar Nyberg durchquerte sie, gelangte auf den kleinen Weg und lief mit erhobener Pistole den Hügel hinauf zur Wegkreuzung. In dem Moment, als das Auto um die Ecke bog, erkannte er das VW-Zeichen, das sich gegen den roten Lack abzeichnete. Er rannte so schnell er konnte, schöpfte seine letzten Kräfte bei diesem Lauf auf den Hügel, wo das Auto abgebogen war. Als er oben ankam, sah er nur noch einen Pilz aus Wegstaub, der in der Ferne aufquoll. Er setzte sich auf die Motorhaube seines eigenen goldgelben Renault, sank ein wenig in sich zusammen und wählte eine Nummer auf seinem Handy.
Berra Kristiansson lag auf dem Rasen in der Mitte zwischen den drei Gebäuden. In seiner nackten Brust war ein Loch, aus dem das Blut mit einer Geschwindigkeit quoll, dass alle drei Anwesenden begriffen, dass es nicht zu stillen war. Trotzdem riss sich Sara Svenhagen die Jacke herunter und presste sie auf die Wunde. Der Stoff färbte sich sofort rot. Der Mund des großen Feuerwehrmanns bewegte sich stumm in seinem immer bleicher werdenden Gesicht. Lena Lindberg verbarg das Gesicht in den Händen und murmelte:
»Ich habe sein Gewehr genommen. Ich habe ihn getötet.«
Arman Mazlum legte das Ohr an den Mund seines Freundes, und auch Sara Svenhagen hörte seine letzten geflüsterten Worte:
»Ich habe nichts gesagt, Arman.« Dann starb er.
Arman Mazlum brach in lautes Wimmern aus, und Sara Svenhagen wandte sich an Lena. Sehr deutlich sagte sie:
»Du hast ihn nicht getötet. Vergiss das sofort.«
Nyberg kam zurück und überblickte die Szene.
»Ich habe ihn umgebracht«, wimmerte Arman. »Er hatte nichts mit der Sache zu tun. Er war nur fair zu mir. Ich habe ihn in die Scheiße mit reingezogen.«
Nyberg trieb alle in das Haupthaus, während er sagte:
»Es ist denkbar, dass er zurückkommt. Wir werden uns hier eine Weile verbarrikadieren.«
»Lasst Berra nicht da draußen liegen«, wimmerte Arman leise. »Alle um mich herum sterben. Alle sterben.«
Gunnar Nyberg betrachtete ihn. Dann ging er hinaus und holte Berra. Als er die blutige Leiche des großen Feuerwehrmanns über den Rasen trug, wirkten seine Schritte gravitätisch. Er legte ihn behutsam auf ein Sofa und sagte:
»Ich gehe raus und verschaffe mir einen Überblick. Dann setze ich mich draußen hin und halte Wache. Behaltet die Fenster im Auge.«
Sara Svenhagen und Lena Lindberg nickten.
Gunnar Nyberg ging hinaus. Er lief ums Haus herum und verschaffte sich ein klares Bild von der Lage. Ein Angriff konnte eigentlich nur von vorn erfolgen, vom Weg aus.
Er setzte sich auf die Veranda und betrachtete seine blutigen Hände. Langsam schüttelte er den Kopf und dachte an Brücken und an den Tod. Dann wischte er seine Hände im Gras ab und zog seine Dienstwaffe.
So wartete er.
Und hoffte, der Dreckskerl würde kommen.
Das geschah nicht.
Es dauerte zwanzig Minuten, bis der Polizeihubschrauber eintraf. Er schwebte auf den Rasen herab wie ein Wesen aus dem äußeren Weltraum. Eine Gruppe schwer bewaffneter Polizisten verteilte sich auf dem Grundstück.
Lena Lindberg
Weitere Kostenlose Bücher