Opferzahl: Kriminalroman
die sechzehn Personen im Raum herausgefunden hatten, wessen Geräte klingelten. Es waren die Handys von Hultin und von Söderstedt.
Während die beiden sich in finstere Gespräche vertieften, sagte Paul Hjelm:
»Was wird unsere Aufgabe sein?«
»Wir werden euch als Späher an kritischen Stellen platzieren«, erklärte Horst. »Aber ihr bekommt alle Details morgen im Flugzeug.«
»Privatflieger?«, fragte Hjelm mit einem schiefen Lächeln.
»Selbstverständlich«, sagte Steve, mit ungefähr dem gleichen Lächeln.
Hultin schaltete sein Handy aus und berichtete:
»Die Dechiffrierexperten sammeln sich. Es heißt, sie reiben sich schon die Hände.«
»Ausgezeichnet«, sagte der Säpo-Chef in einem plötzlichen Anfall von Großzügigkeit.
In diesem Augenblick beendete auch Söderstedt sein Gespräch. Er betrachtete sein Telefon lange, und als er aufsah, liefen Tränen über sein Gesicht.
»Wie zum Teufel kann man sich bloß an einem Kind vergreifen?«, sagte er nur.
»Darum dreht sich alles«, erläuterte der sogenannte internationale Experte und beugte sich auf dem Sofa vor. »Wie wir dem Bösen begegnen. Ihr denkt, wir seien eine geheime Gesellschaft ohne Nuancierungen. Und das stimmt in einem gewissem Sinn. Unser Job ist sehr technisch, wir arbeiten nicht mit moralischen Bewertungen wie ihr. Aus unserer Sicht habt ihr es überhaupt nicht mit Verbrechern zu tun, da es immer noch moralische Grauzonen und Fragestellungen geben kann. Wir arbeiten in einem Bereich jenseits davon. Wo der Ausgangspunkt das Böse ist, nicht als metaphysische Kraft oder ähnlichem Unsinn, sondern als praktische Realität. Für die, mit denen wir es zu tun haben, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man sich an einem Kind vergreift. Ebenso selbstverständlich, wie ein unschuldiges Mädchen totzufahren oder einen ebenso unschuldigen Feuerwehrmann zu liquidieren. Diese Welt gibt es. Wir versuchen, ihr so gut es geht zu begegnen, aber wir - die sogenannten Guten - schleppen eben noch etwas Großes mit uns herum. Das, was man Leben nennt. Deshalb sind wir immer im Nachteil gegenüber dem Extremismus, in welcher Form er auch auftritt. Per Naberius hätte zum Beispiel keinen Finger gerührt, um seine Tochter zu retten, wenn man sich an ihr vergriffen hätte. Vermutlich hätte sich noch nicht einmal sein Puls beschleunigt. Auge um Auge geht nicht bei dieser Art von Menschen.«
Söderstedt blickte zu dem internationalen Experten hinüber und sah in dessen Augen einen Moment äußersten Ernstes aufleuchten. Er fühlte sich vollkommen durchschaut, seufzte tief und sagte:
»Lina ist jetzt jedenfalls hier. Ich muss sie holen.«
»Bringen Sie sie herein«, sagte der technische Experte auf dem Sofa.
Söderstedt verschwand.
»Habt ihr noch mehr Fragen?«, wollte der Säpo-Chef wissen und brachte zum ersten Mal seit Menschengedenken ein Lächeln hervor.
»Noch eines«, sagte Sara Svenhagen. »Gibt es eine konkrete Verbindung zwischen Naberius und Ata? >Kill pills«
Diesmal war Steve an der Reihe, sich auf dem Sofa vorzubeugen.
»Ja«, sagte er. »Wir wissen immer noch nicht, wo sie hergestellt werden, aber alles deutet darauf hin, dass bei Naberius' Geschäften die Vertriebsabteilung eng mit den wichtigsten Kunden der >kill pills< verbunden ist, den verschiedenen Organisationen der Selbstmordattentäter. Per Naberius ist mit seinen mikroelektronischen Waffentechnologien für die alliierten Truppen im Irak unentbehrlich, und dass er gleichzeitig für die andere Seite arbeitet, ist für uns sehr lästig. Aber er lebt vom Krieg, und er lebt gut von ihm - das tun viele -, man kann also durchaus verstehen, dass er den Frieden nicht sehr schätzt. Naberius düngt beide Seiten und wird von beiden Seiten belohnt. In diesem ewigen Krieg.«
»Da ist noch etwas, das ich nicht verstehe«, sagte Sara Svenhagen. »Warum hat sich Naberius entschlossen, ausgerechnet die Freundinnen seiner Tochter in die Luft zu jagen? Das ist doch eine fürchterliche Tat.«
»Es passte technisch sehr gut«, sagte der internationale Experte und zuckte die Schultern. »Mehrere Fliegen mit einer Klappe. Alle Polizisten Stockholms waren mit der Bombe beschäftigt, und es war kein Problem, die Lieferung ins Land kommen zu lassen. Der Spitzel der Säpo wurde ausgeschaltet und mit ihm sein Mörder. Es war perfekt.«
»Aber warum hat er seine Tochter überhaupt überwacht?«
»Das ist eher eine Frage von Hypothesen, und darin seid ihr sehr viel
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