Opferzahl: Kriminalroman
daraus erwachen.«
Während Qvarfordt sprach, hatte eine uniformierte Frau von hinten das Podium betreten. Sie stand mit einem Notizzettel in der Hand da und wirkte unschlüssig, wem von den anwesenden Vorsitzenden sie ihn geben sollte.
Schließlich streckte Jan-Olov Hultin die Hand aus und nahm der Polizeianwärterin das Hierarchieproblem ab. Erleichtert zog sie von dannen. Hultin las den Zettel und zog die Stirn kraus. Das hieß bei ihm schon einiges.
»Es ist etwas Wichtiges geschehen«, sagte er laut und übertönte damit die Schlussworte von Qvarfordts Darlegung. »Es sieht so aus, als habe eine Gruppe sich zu der Tat bekannt. Es soll einen Tonbandmitschnitt geben. Ich weiß nicht, ob du ihn finden kannst, Sune...«
Der Säpo-Vize beugte sich über seinen Laptop und bearbeitete die Tastatur mit beneidenswerter Behändigkeit. In der Zwischenzeit fuhr Hultin fort:
»Im Laufe der Nacht haben fünf einschlägig bekannte Irre die Sprengung auf sich genommen; die Motive reichten von >miserabel gelagertem Whisky im Kvarnen< bis zu >grauenvolle Herbstdepression<. Dieser Anruf hier ist von der Stadtteilpolizei in Älvsjö, bei der er offenbar einging, anscheinend als ernst zu nehmend beurteilt worden.«
»Die Stadtteilpolizei in Älvsjö?«, platzte der Säpo-Chef heraus.
»Wir haben vermutlich Gelegenheit, dies genauer auszuwerten«, sagte Hultin. »Eine Gruppe, die sich >Die heiligen Reiter von Siffin< nennt, bekennt sich auf Englisch zu der Tat. The Holy Riders of Siffin.«
»Reiter?«, entfuhr es Arto Söderstedt auf der Bank vor Kerstin Holm.
Er wurde von der versammelten Polizeimannschaft zum Schweigen gebracht.
»Haben wir die Aufnahme schon?«, fragte Hultin.
»Ich glaube ja«, sagte der Säpo-Vize. »Sie sollte jetzt kommen.«
Es knisterte leicht in den Lautsprechern, eine dunkle Stimme mit einem kaum hörbaren Akzent sagte: »Is this the Swedish police?«
»Ääh, hem«, sagte eine verblüffte Männerstimme. »So ein Mist. Well, it's the Swedish police in Älvsjö, yes, verflixt.«
»The bomb in the subway was planted by us.«
»The bomb in the subway? Okay ... go on.«
» Sweden has for a long time been a nest of vipers, the worst kind of christian liberal trash can. You have lost all sense of morale and holiness. You have no values left at all. Your women are whores, and they are seducing the women of the right faith. «
»Who is this?«, sagte die unverändert verblüffte Männerstimme.
»You may call us The Holy Riders of Siffin. You will hear from us again. Lower your eyes. It makes the mind more focused, and gives more peace to the heart. «
Dann war deutlich zu hören, wie der Hörer aufgelegt wurde. Die völlig perplexe Männerstimme konnte noch sagen: »Scheiß Kanaken, beschmutzen ...«, bevor der Säpo-Vize mit überaus gestresstem Zeigefinger die Aufnahme stoppte.
Die Honoratioren auf dem Podium betrachteten einander.
»Glaubwürdig?«, fragte Hultin schließlich, wobei er sich dem Saal zuwandte. Mangels unmittelbarer Reaktion fuhr er selbst fort:
»Ziemlich gepflegtes Englisch, >nest of vipers<, >christian liberal trash can<. Leichter Akzent, den man vielleicht identifizieren kann. Ein gewisser Zorn in der Stimme, besonders bei der Aussprache von >whores<. Das hat eine gewisse Authentizität. Dazu das Wort >subway< statt >underground<, amerikanisch geprägtes Vokabular. Noch jemand etwas?«
Kerstin Holm war nicht sicher, ob Hultin ihren Blick suchte, aber es fühlte sich so an. Es fühlte sich an, als kralle er sich in ihrem fest. Sie räusperte sich und versuchte, etwas Kluges zu formulieren.
»Warum ruft man in Älvsjö an, wenn man gerade eine große internationale Terroraktion begangen hat?«, brachte sie heraus. »Entweder ist es die reine Verarsche, oder es dient einem spezifischen Zweck.«
»Wie zum Beispiel?«, fragte Hultin neutral.
»Wie zum Beispiel, einen kleinen Vorsprung zu gewinnen oder der Abhörung zu entgehen. Oder man hat eine besondere Verbindung dorthin. Oder beides.«
Als Jan-Olov Hultin nickte, natürlich ohne eine Miene zu verziehen, fühlte sich Kerstin Holm um viele Jahre in die Vergangenheit versetzt. Sie war damals noch recht jung, war gerade aus einer Wahnsinnsbeziehung ausgebrochen, führte ein ziemlich graues und tristes berufliches Leben an der Westküste und wurde in den Vernehmungsraum der Polizeiwache in der Färgaregata in der Nähe vom Odinsplats in Göteborg gerufen. Da saß ein Mann, dessen Neutralität den
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