Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
in den Mund nahm. Aber jetzt tat er es.

    »Schwierig?«, fragte Sara.

    Die Phonologie ist die Wissenschaft von der Lautstruktur der Sprache und nichts anderes. Kurt Ehnberg hörte also ausschließlich auf die Lautstruktur des Telefongesprächs. Er suchte sprachliche Auffälligkeiten.

    »Ja, tatsächlich«, sagte Ehnberg. »Ich werde aus dem Dialekt nicht klug.«

    »Dem Dialekt?«

    »Ja, ich meine, im Hintergrund eine deutliche Einfärbung von Arabisch zu ahnen. Das Englisch ist ausgezeichnet, alle stimmhaften >s< sind an der richtigen Stelle - für jemanden, der Englisch nicht als Muttersprache spricht, das Schwerste und am wenigsten Begreifliche. Und doch hat es eine ganze Menge Fremdes an sich. Mir wird nicht recht klar, um welchen arabischen Dialekt es sich handelt.«

    »Sind Sie denn sicher, dass es Arabisch ist?«, fragte Lena.

    »Das auf jeden Fall«, sagte Ehnberg. »Die Besonderheit bei allen arabischen Dialekten, die unter dem Begriff >Arabisch< zusammengefasst werden, ist der Überfluss an Konsonanten. Am hervorstechendsten sind die pharyngalen Konsonanten, die mit geweitetem Rachen ausgesprochen werden. Es klingt ungefähr wie ein Gähnen. Und hat man einmal Arabisch gesprochen, entgehen einem die Pharyngale nicht. Sie sind auch hier vorhanden, allerdings unterdrückt und vermischt. Und die phonologische Struktur bereitet mir Kopfzerbrechen.«

    »Aber aufs Ganze gesehen sind Sie sicher, dass der Sprecher Araber ist?«

    »Es steckt Arabisch darin«, nickte Ehnberg, sodass seine Fernglasbrille zur Seite rutschte und er Schlagseite bekam. »Es ist möglich, dass der Sprecher ziemlich lange in einem englischsprachigen Land gelebt hat. Aber wahrscheinlich nicht.«

    »Wahrscheinlich nicht?«

    »Sein Englisch, das mehr zum amerikanischen neigt als zum britischen, ist stellenweise sehr schwach, stellenweise überakzentuiert. Es ist im sozialen Leben kaum besonders intensiv erprobt worden. Ich würde eher sagen, dass der Sprecher viel amerikanische Populärkultur konsumiert hat. Aber das ist nur eine Vermutung. Auf jeden Fall handelt es sich eher um eine passive als um eine aktive Sprachaneignung.«

    »Gibt es auch Schwedisch darin?«, fragte Sara Svenhagen.

    Professor Kurt Ehnberg schnitt eine Grimasse. Schön sah sie nicht aus.

    »Das kann der Grund dafür sein«, räumte er widerwillig ein, »warum es mir nicht richtig gelingt, den arabischen Dialekt zu finden. Weil der Mann nicht besonders oft Arabisch spricht, sondern eher Schwedisch. Eine Art Schwedisch. Das so unbedacht Rinkeby-Schwedisch genannt wird. Gewisse Lautbildungen deuten auf Schwedisch hin, aber sicher ist das keineswegs.«

    »Wie alt ist er denn?«

    »Schwer zu beurteilen«, antwortete Ehnberg. »Nicht besonders alt. Zwanzig, dreißig. Eher zwanzig als dreißig.«

    »Sonst noch etwas?«, fragte Sara.

    »Nicht direkt«, sagte Ehnberg. »Außer dass ich für Sie eigentlich nicht der richtige Mann bin.«

    »Nicht?«

    »Was Sie brauchen, ist ein Islamexperte.«

    Damit verschwand er, und Sara und Lena waren allein.

    »Natürlich hat er recht«, sagte Lena Lindberg und vollführte eine Geste der Ungeduld. »Wir wollen nicht dahin, aber wir müssen.«

    »Aber erst eine kurze Zusammenfassung«, sagte Sara Svenhagen. »Acht Stunden nach der Explosion ruft ein Mann in den Zwanzigern, der ein gepflegtes amerikanisches Englisch mit einem schwachen schwedisch-arabischen Akzent spricht, bei der Polizei in Älvsjö an und bekennt sich zu der Tat, mit dem Motiv, dass schwedische Frauen Huren seien und die Schweden kein Gefühl für Moral und Heiliges hätten. Bis hierhin nichts Unerwartetes, oder?«

    »Das kann man wohl sagen«, räumte Lena ein. »Eigene Sexualität ist gleichbedeutend mit Hure. Diese Angst vor der Frau ...«

    »Und er ist echt zornig, das hört man. Aber dass er es ernst meint, muss ja noch nicht bedeuten, dass er tatsächlich die Bombe gelegt hat. Es verging schließlich ziemlich viel Zeit zwischen der Explosion und dem Anruf.«

    »Obwohl es meistens eine Weile dauert, bis Gruppen sich zu ihren Taten bekennen«, sagte Lena. »Sie müssen sich erst sammeln und zusehen, dass sie den Rücken frei haben.«

    »Okay, ich bin einig mit dir. Das sagt nichts. Und was sollen wir davon halten, dass er in Älvsjö anruft? Warum ausgerechnet da?«

    »Ich habe ein bisschen im Internet geguckt«, sagte Lena. »Man könnte sich ja eine Situation vorstellen, wo die Nummer beim Aufrufen des Telefonbuchs ganz einfach als erste

Weitere Kostenlose Bücher