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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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die Hände in den Taschen, gebeugter Rücken, gefurchte Stirn. Er war unverkennbar.

    Ata betrachtete die rosa Pille in seiner Hand. Er warf sie in den Mund und startete den Wagen. Es lief, wie es sollte. Der Motor gab das dezente Brummen von sich, das ihn dazu bewogen hatte, genau dieses Modell zu wählen.

    Von dem Jungen keine sichtbare Reaktion. Er spazierte weiter auf den Wagen zu, mit schwerer Ernsthaftigkeit.

    Diese ganze Schwere, dachte Ata und legte den ersten Gang ein.

    Diese ganze Schwere, an der der Junge zu tragen schien. Als gäbe es wirklich so viel, worüber man sich in einer Welt wie dieser Sorgen machen müsste. Als ob das Materielle so schwer belasten könnte.

    Der Rausch kam. Genau im rechten Augenblick.

    Langsam ließ Ata die Kupplung kommen. Der Wagen begann zu rollen, beinahe lautlos. Er glitt an dem Bürgersteig entlang, auf dem der Junge ging, nur in die andere Richtung.

    Sie näherten sich einander.

    Als noch zehn Meter zwischen ihnen waren, trat Ata das Gaspedal durch. Der Junge hatte nicht einmal die Zeit, aufzuschauen. Die Stoßstange traf ihn oberhalb des Knies. Ata spürte im ganzen Körper, dass es ein perfekter Treffer war. Er schlug das Lenkrad noch ein wenig nach rechts ein, zum Bürgersteig hin.

    Zuerst bogen sich die Beine um die Stoßstange, seitwärts, nahmen für einen flüchtigen Augenblick deren Form an. Dann wurde der Körper senkrecht in die Luft geschleudert. Ata dachte nicht an eine Stoffpuppe, wie es die meisten getan hätten, sondern an einen Wurfstern. Der Kopf und die Arme und Beine des Jungen waren die fünf Spitzen des Sterns.

    Davidsstern war sein nächster Gedanke. Und der Davidsstern rotierte wie ein Wurfstern über den Wagen nach hinten. Der Wagen hatte wohl kaum eine Beule abbekommen.

    Doch das spielte ohnehin keine Rolle.

    Der Davidsstern als Wurfstern, dachte Ata und schaute in den Rückspiegel.

    Er brauchte kaum einen Blick auf die Überreste auf dem Asphalt zu werfen. Er kannte das Ergebnis.

    Langsam glitt Atas Mietwagen in der Dunkelheit des Augustabends den Värbergsväg entlang.

    Er hatte noch weitere Punkte auf seiner Liste.

     

    AUS DER ONLINEAUSGABE DER ABENDZEITUNG

    Freitag, 5. August, 20.31 Uhr

    Wir spüren sie natürlich alle, die Panik. Jetzt ist es so weit, jetzt ist bei uns angekommen, was wir bisher von uns fernhalten konnten. Auch Stockholm hat nun teil an diesem blutigen Sommer. Der Juli dieses Jahres war der schlimmste Terrormonat seit Menschengedenken. Ein Monat, rot gefärbt von Blut, und vermutlich wird es im August nicht aufhören. Überall in der Welt haben Selbstmordattentäter zugeschlagen. In England, Ägypten, im Irak, in der Türkei und in Israel haben sie Menschen in Fetzen gesprengt.

    Und jetzt in Stockholm. Leider scheint die chaotische schwedische Terrorabwehr nicht im Geringsten mit den deutlich professionelleren und effektiveren Organisationen, zum Beispiel in London und Tel Aviv, mithalten zu können.

    Diesen Schluss kann man aus der abendlichen Pressekonferenz im Polizeipräsidium auf Kungsholmen in Stockholm ziehen. Der leitende Ermittler Jan-Olov Hultin hatte der versammelten Weltpresse im dicht gefüllten Presseraum in der Polhemsgata wahrlich nicht viel zu sagen. Er saß da und sagte im Großen und Ganzen nichts. Im Unterschied zu einigen seiner Vorgänger war er nicht einmal in der Lage, die übliche Anhäufung unverbindlicher Klischees zu produzieren, er hielt einfach nur den Mund. Seine einleitenden Ausführungen können buchstäblich mit den Worten zusammengefasst werden: »Wir haben keine Neuigkeiten.«

    Wenn man bedenkt, wie viele Polizisten mit den Ermittlungen befasst sind, ist das eine erstaunliche Äußerung. Natürlich hat man Neuigkeiten - aber leider scheinen sie ausschließlich negativer Art zu sein. Offenbar kann nichts bestätigt werden.

    Neben Hultin saßen der Chef der Säpo und die Polizeipräsidentin von Stockholm, die zumindest ein wenig eloquenter waren. Die Lage lässt sich nun folgendermaßen zusammenfassen:

    Wie wir bereits berichten konnten, hat sich eine unbekannte muslimische Gruppe, die sich »Die heiligen Reiter von Siffin« nennt, zu der Tat bekannt. Siffin ist eine heilige arabische Stadt. Das Motiv ist glasklar. Der Westen ist moralisch verkommen, und schwedische Frauen sind Huren. Es erscheint höchst merkwürdig, dass sich über diese Gruppierung, die allem Anschein nach mit al-Qaida zusammenhängt, nicht mehr sagen lässt. Die Tatsache, dass die Säpo in die

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