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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Gleiche. Es hat nichts mit Briten zu tun, sondern ist eine urschwedische Bezeichnung für eine Periode sonniger und warmer Tage zu Beginn des Herbstes, ursprünglich in der Zeit um den Tag der heiligen Birgitta, den 7. Oktober, Brittmess, wo im Volksglauben immer schönes und warmes Wetter herrscht.

    Auch August Strindberg verlegt sein Gedicht über den »Indianersommer« in den Oktober. Er sitzt auf dem Balkon des Krankenhauses und trinkt Absinth, eingehüllt in eine geblümte Wolldecke, als die täuschenden Strahlen des Indianersommers einen Schmetterling dazu verführen, sich zu entpuppen. Er lässt sich auf der Decke nieder, auch von ihr getäuscht, und sucht sich die kleinste der Blumen darauf aus. »Als die Stunde vergangen / und ich mich erhob, / um hineinzugehen, / saß er noch da, / der dumme Schmetterling. / Er hatte seine Bestimmung erfüllt / und war tot, / der dumme Teufel!«

    Als Sara Svenhagen jetzt auf die Birkagata hinaustrat und fühlte, wie der Sonnenrauch ihr entgegenschlug, dachte sie, dass sie Strindbergs Gedicht nie verstanden hatte. Armer Schmetterling, dachte sie, und erst danach fragte sie sich, warum sie an ihn gedacht hatte. Dann sah sie, dass um sie herum ganz einfach Indianersommer war. Wie ein Stück warmer Oktobertag Anfang August. Es war seltsam.

    Im gleichen Augenblick, als Sara das Wort »Indianersommer« dachte, kam Lena Lindberg das Wort »brittsommar«. Es geschah, als sie aus ihrer Wohnung in einen merkwürdigen Nebel aus Sonnenrauch, Sonnendunst hinaustrat. Das Sonnenlicht breitete sich in schwebenden Partikeln durch die Atmosphäre aus, und plötzlich war mitten im Hochsommer »brittsommar«.

    Im nächsten Augenblick beschlossen beide, unabhängig voneinander, zu Fuß zur Arbeit zu gehen. Da es von Götgatsbacken fast doppelt so weit zum Polizeipräsidium ist wie von der Birkagata, traf Sara Svenhagen beinahe eine Viertelstunde vor Lena Lindberg am gemeinsamen Schreibtisch ein. Die Viertelstunde widmete sie dem Intranet der Polizei, genauer gesagt der großen, von Jan-Olov Hultin versprochenen Ermittlung in ihrer unzensierten Gänze.

    Kein anderer schien sich ernstlich mit dem Bekenneranruf und »Holy Riders of Siffin« zu befassen. Sie überflog kurz ihren eigenen Bericht - er beschäftigte sich mit pharyngalen Konsonanten, einem amerikanischen Englisch, das kaum in sozialem Zusammenhang praktiziert worden war, und umfasste die Schlacht bei Siffin im Jahr 657 zwischen dem Kalifen Ali, Mohammeds Cousin, und Muawiya vom Geschlecht der Umayyaden, die Spaltung zwischen sunnitischem und schiitischem Islam sowie ein Gespräch mit einem Islamexperten - und ging dann zu Lenas Bericht über, den sie schon gelesen und dessen Rechtschreibung sie dem Standard angeglichen hatte; was nötig gewesen war.

    So gesehen war Lena Lindberg ein klassisches Beispiel für ein Mitglied des Polizeikorps. Sie war raubeinig, ziemlich gewaltbereit und leicht dyslektisch. Einiges hatte sich in letzter Zeit gebessert, nur die Rechtschreibung nicht.

    Lena war nach Alvsjö gefahren und hatte mit Polizisten geplaudert. Was davon im Intranet präsentiert wurde, nachdem die gröbsten Vorurteile und Derbheiten ausgemerzt worden waren, war ein aufs Ganze gesehen sehr realistisches Gespräch unter Polizisten.

    Zusammenfassung: Keiner auf der Polizeiwache in Älvsjö kannte die Stimme, keiner hatte die blasseste Ahnung, wer der Anrufer sein konnte.

    »Aber warum fragt ihr noch einmal?«, hatte der Dienststellenleiter gesagt. »Die Säpo war doch schon mit vier Mann hier und hat uns gegrillt.«

    Sara und Lena führten eine längere Diskussion darüber, ob die obenstehende Bemerkung in die Intranetermittlung eingefügt werden sollte. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Grund dazu bestand.

    Das Gespräch mit dem Islamexperten war ein anderes Kapitel. Er war ein echt arroganter Typ, der davon ausging, dass sein Gesprächspartner ein Idiot war. Sara hatte gelernt, mit solchen Leuten einigermaßen zurechtzukommen, dies hier war allerdings ein Grenzfall. Aber auch wenn es sie einige Selbstüberwindung kostete, es gelang ihr, alles Äußerliche zu ignorieren und sich auf die Kernfrage zu konzentrieren. Die Schlacht bei Siffin. Was war daran so besonders? Und die Antwort lautete, dass es damit nichts Besonderes auf sich habe. Es war eine der vielen Schlachten bei der Entstehung und Ausbreitung des Islam. Es war die Schlacht, die für den Unterschied zwischen Sunni und Shia ausschlaggebend war. In der man den Koran

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