Opferzahl: Kriminalroman
Ermittlungen eingeschaltet wurde, könnte ein Indiz dafür sein, dass der Fall zum großen Teil als geheim eingestuft worden ist. Wir können also nicht ausschließen, dass die Polizei - oder zumindest Teile von ihr - mehr weiß, als gesagt wird.
Anstatt sich der Medien bei der Jagd nach den zehnfachen Mördern (zehnfach, seit Roland Karlsson heute Nachmittag verstorben ist) zu bedienen, hat sich die Fahndungsleitung entschlossen, die Medien aus dem ganzen Prozess herauszuhalten. Das kann man nur als direktes Dienstvergehen bezeichnen. Wer erreicht die Allgemeinheit, wenn nicht wir? Wir haben in unserer Zeitung heute einen Appell an mögliche Zeugen gerichtet, und über unsere eigens eingerichtete Hotline haben sich nicht weniger als fünfhundertfünfundachtzig Zeugen gemeldet. Sie sind inzwischen an die Polizei weitergeleitet worden. Da sieht man, was die Abendpresse bewirken kann.
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* Fotos aus dem Inneren der U-Bahn
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* Telefonnummern für Hinweise aus der Bevölkerung
* So verhalten Sie sich richtig, falls Ihre Stadt betroffen ist
* Verhalten bei Panik, einige Hinweise
* So groß ist das Terrorrisiko in der U-Bahn, Station für Station
AUS DER ABENDZEITUNG
Abendausgabe, Freitag 5. August
Kolumne von Veronica Janesen
Nein, dies ist kein normaler Tag für eine Kolumne. Das ist auch an den Reaktionen zu erkennen. Meine Mailbox ist normalerweise bis oben gefüllt von Drohungen weißer, heterosexueller Mittelschichtmänner mittleren Alters, die sich durch meine Existenz bedroht fühlen. Wie lächerlich. Deshalb ist heute der Server der Zeitung zusammengebrochen. Jetzt seid ihr wütend. Und das ist gut, Wut ist gut.
Obwohl es besser ist, auf die richtigen Dinge wütend zu sein. Ihr verdammten Schwanzfechter.
Es ist das erste Mal, dass ich zwei Kolumnen an einem Tag schreibe. Vielen Dank dafür, meine Leser. Ihr tragt aktiv dazu bei, mein unsicheres Dasein als freie Mitarbeiterin zu festigen.
Ich bleibe bei allem, was ich in meiner letzten Kolumne geschrieben habe. Das Einfachste wäre, sie zu kopieren und mir noch einmal honorieren zu lassen. Aber ich fürchte, das würde dem Chefredakteur nicht gefallen.
Also zurück zum Kernpunkt. Der Westen heute ist die schlimmste Unterdrückungsgesellschaft, die der Planet jemals erlebt hat. Sie ist schlimmer als alles bisher Dagewesene. Das lässt den Nationalsozialismus und Stalinismus in ihrer Deutlichkeit in einem hellerem Licht erscheinen. Was wir Rechtsstaat und Demokratie nennen, beruht auf der unbedingten Macht des Patriarchats, und die ist weder für Gesetze noch für das Stimmrecht erreichbar. Sie muss gesprengt werden. Und das hat der Terrorismus verstanden.
Natürlich habe ich mich gefragt, warum die Geschlechter der Opfer in dieser U-Bahn so und nicht anders verteilt waren. Neun Männer und zwei Frauen. Die Antwort ist sehr einfach: Frauen wagen sich abends nicht mehr aus dem Haus. Wenn wir ausgehen, dann in Gruppen - das gibt zumindest eine Illusion von Sicherheit. Ein paar mutige Frauen trotzten den neuen Geboten des Patriarchats und wurden zu Opfern. Ich würde gern eine Schweigeminute für die vierundzwanzigjährige Alicia Ljung und ihre anonyme Mitschwester ausrufen, die letzte Nacht in dem Wagen Carl Jonas gestorben sind.
Ich bereue nur eines in meiner Kolumne von heute Morgen. Ich schrieb, Männer seien Tiere. Das ist sehr ungerecht den Tieren gegenüber. Ich mag Tiere.
Ich nehme es also zurück und bitte die Tiere um Entschuldigung.
Ich (und die Zeitung) möchte allerdings betonen, dass ich mich (wie die Zeitung) von Gewalt distanziere und den Terrorismus nicht unterstütze. Ich (und die Zeitung) spreche nur von Denkstrukturen.
Aber ich verstehe, dass das euren Horizont überschreitet.
Schwanzfechter.
*
Das Lustige an dem Wort »Indianersommer« ist, dass seine Herkunft unbekannt ist. Aber es ist klar, dass es mit Indianern zu tun hat. Es bezeichnet einen Wettertyp, der im Herbst vor allem in den nordöstlichen USA vorkommt, warmes, ruhiges Wetter mit Dunst und Sonnenrauch. Das Problem ist lediglich, dass gerade der Nordosten der USA der an Indianern ärmste Teil des Kontinents ist.
Auch wenn es ähnlich ist, ist das schwedische »brittsommar« nicht das
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