Opferzeit: Thriller (German Edition)
Schriftlich Beschwerde einreichen? Selbst wenn der Direktor mir glauben würde, selbst wenn Adam und Glen ihren Job verlieren würden, was dann? Was ist mit den anderen Wärtern, die sie kennen und mögen? Das Leben kommt mir bereits wie ein nicht enden wollender Montag vor. Und wenn ich nicht tue, was sie verlangen, dann wird daraus ein nicht enden wollender Montag voller Scheiße-Sandwiches. Die beiden Brothälften liegen fast flach aufeinander, das heißt, es sind wenigstens keine großen Stücke dabei. An der Seite hängt ein Salatblatt heraus. Ich kann den Rand einer Salami erkennen, die aussieht, als wäre ihr Haltbarkeitsdatum ungefähr zu der Zeit abgelaufen, als Discomusik aus der Mode kam. Das Ding stinkt genauso, wie Adam es vorhin beschrieben hat, als er mich fragte, ob ich den Spruch über das Leben kenne, und ich weiß, dass die Masse, die alles zusammenhält, zwar Ähnlichkeit mit Erdnussbutter hat, ja vielleicht sogar Erdnussstückchen enthält, aber nicht im Geringsten nach Erdnussbutter schmecken wird.
Glen stößt mir mit der Hand gegen die Stirn, sodass ich mit dem Hinterkopf unsanft gegen die geflieste Wand knalle. Dann gräbt er mir seine Finger in die Wangen und versucht, meine Kiefer auseinanderzureißen. Erneut versetzt er mir einen Schlag in die Magengrube, und durch die Wucht öffnet sich mein Mund, und er drückt mit seinen Fingern meine Wange nach innen zwischen die Zähne, sodass ich den Mund nicht mehr schließen kann.
Adam führt das Sandwich an mein Gesicht. Der Gestank ist widerlich, es ist dieselbe Art von Gestank, mit der ich früher als Hausmeister zu tun hatte, wenn irgendein besoffenes Arschloch im Polizeirevier auf den Boden der Ausnüchterungszelle geschissen hatte und ich es wegwischen musste. Nur hundertmal schlimmer. Als hätten sie mit der Scheiße den Gestank von etwas Totem übertüncht, so wie das in Krankenhäusern mit Desinfektionsmitteln gemacht wird.
Glen hält mir die Nase zu, und das hilft, na ja, ein wenig, und alles, was hilft, sorgt momentan für Linderung.
Das Sandwich berührt meine Lippen. Ich spüre, das Salatblatt, das an der Seite herunterhängt, an meinem Kinn. Ich spüre das Brot – es ist alt und hart, und es fühlt sich an, als wäre es leicht getoastet, aber das ist es nicht. Dann ist das Brot auf meiner Zunge und kratzt über meinen Gaumen, und so weit, so gut, denn ich schmecke nur das Brot. Es wird langsam feucht. Adam schiebt es mir weiter in den Mund, dann lässt Glen meine Wangen los und drückt meinen Kiefer zu, und meine Zähne beißen in das Sandwich.
Meine Geschmacksnerven suchen alle gleichzeitig das Weite, als der Geschmack in meinem Mund explodiert, flüchten alle in dieselbe Richtung, sodass meine Zunge sich in den Rachen zurückzieht und ich würgen muss. Selbst mit zugehaltener Nase kann ich das Sandwich riechen. Irgendetwas in meinem Rachen fängt an zu schnalzen, und trotzdem wird das Sandwich tiefer hineingedrückt. Ich kriege keine Luft mehr. Jetzt heißt es kauen oder ersticken. Das sind die beiden Möglichkeiten, die ich habe.
Also kaue ich.
Ich stelle mir meine Mom mit ihrem Hackbraten vor und versuche mir einzureden, dass es das ist, was ich esse, aber meine Fantasie reicht dafür einfach nicht aus. Was sich in meinem Mund befindet, ist unrein und verdorben, und ich wünschte, ich wäre schneller gewesen, als ich mich vor einem Jahr erschießen wollte. Ich drehe meinen Kopf hin und her, doch Glen hält ihn mit der Hand fest umklammert, und als wollte er irgendwas beweisen schlägt er mir erneut in den Magen, allerdings nur schwach.
Ich schätze, es ist am besten, möglichst wenig zu kauen und es einfach runterzuschlucken. Also tue ich es, ich kaue sogar weniger als möglichst wenig, doch als ich zu schlucken versuche, bleibt ein riesiger Brocken von weiß der Geier was in meinem Rachen hängen, und ich fange an zu würgen.
»So leicht lassen wir dich nicht davonkommen«, sagt Glen und wirbelt mich herum, legt seine Hände unter meinen Brustkorb und reißt sie hoch. Der Sandwichklumpen fliegt heraus und klatscht gegen die Wand. Dann wirbelt Glen mich wieder herum. »Es ist wichtig, nicht so große Bissen zu nehmen, Middleton«, sagt er, und dann wiederholen wir die einzelnen Schritte – die Schläge, das Zuhalten der Nase, die Geschmacksexplosion –, nur dass ich diesmal länger kaue und es schaffe, den zweiten Bissen herunterzuschlucken, und dann kommt der dritte. Dabei drücke ich die ganze Zeit meine Zunge
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