Opferzeit: Thriller (German Edition)
Genau das hat Melissa in letzter Zeit getan. Andere Cops. Sicherheitsleute. Sanitäter. Leute in Uniform. Die Medien hatten ihr sogar für eine Weile das Etikett Uniform-Killerin verpasst, aber der Name hat sich nicht durchgesetzt. Die Polizeiuniform, die er trägt, sie wirkt so echt, weil sie … weil sie von einem von Melissas Opfern stammt.
Ihm ist die Ironie dabei durchaus bewusst. Er ist ein intelligenter Bursche. Intelligent genug, um zu wissen, dass er ein Mörder ist, der sich mit einer Mörderin zusammengetan hat, um einen anderen Mörder zu ermorden. Das ist nicht sehr kompliziert.
Der gesetzestreue Raphael weiß, dass er die Polizei verständigen sollte. Der Raphael der Roten Raserei denkt, dass er beide, Joe und Melissa, einfach erschießen und den Dingen ihren Lauf lassen sollte. Der vernünftige Raphael weiß, dass er nicht zur Polizei gehen kann, weil Melissa im Zimmer seiner Tochter die Artikel an den Wänden gesehen und die Verbindung hergestellt hat. Wenn er zur Polizei geht, dann wird man ihn zusammen mit ihr ins Gefängnis wer fen. Dann wird Joe seinen Prozess bekommen. Und die Chance, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren, und man kann nicht wissen, was dann passiert. Man wird ihn schuldig sprechen, keine Frage, aber das reicht Raphael nicht. Also ist der vernünftige Raphael mit dem Raphael der Roten Raserei einer Meinung. Er hat mehr Kugeln zur Verfügung, als er braucht. So sieht es der Plan vor. Ja, genau das macht den Plan erst rund. Doch wenn man ihn schnappt, weil er einen zusätzlichen Schuss abgefeuert hat? Na wenn schon. Na. Wenn. Schon.
Also hielt er sich Schroder gegenüber bedeckt, während ihm all diese Gedanken durch den Kopf gingen, und dann verhielt er sich Melissa gegenüber bedeckt, während ihm dieselben Gedanken durch den Kopf gingen. Würde sie vermuten, dass er weiß, wer sie ist, würde sie ihn töten. Er hat keine Ahnung, wie. Aber er ist nicht so überheblich, um zu glauben, er sei ihr gegenüber im Vorteil, weil er größer und wahrscheinlich auch stärker ist. Sie hat nicht ohne Grund so viele Menschen getötet. Es wäre dumm, sie zu unterschätzen.
Doch sie hat keinen Verdacht geschöpft. Sie hatte keinen Grund dazu, weder als er von seiner Wut auf Joe, noch als er davon erzählte, was Joe ihm, seiner Tochter und seiner Frau angetan hat. Er sagte ihr, wie aufgeregt er sei, derjenige zu sein, der Joe töten würde und sie redeten über den Plan. Gingen ihn wieder und wieder durch. Es ist kein einfacher Plan. Nicht wirklich. Aber er hat eine geniale Idee, wie er sich vereinfachen lässt.
Heute Morgen hat Melissa angerufen. Heute würden sie den nächsten Schritt des Plans in die Tat umsetzen. Sie sagte, sie werde ihn am Nachmittag abholen. Gegen halb vier.
»Wir dürfen nicht zu spät kommen«, hatte sie ihm erklärt.
Jetzt ist es halb vier, er wartet an der Tür und muss lediglich eine weitere Minute warten, bis ihr Wagen vorfährt. Er geht nach draußen und steigt ein. Sie trägt im mer noch die schwarzen Haare, und er fragt sich, ob es eine Perücke ist, oder ob sie sie gefärbt hat. Er wirft die Tasche mit der Polizeiuniform auf den Rücksitz.
»Wir tun es also wirklich«, sagt er. »Wir werden Joe tatsächlich erschießen.«
»Das Gewehr ist im Kofferraum«, sagt sie, legt den Gang ein und fährt los.
Kapitel 39
Schließlich lege ich mich hin in der Hoffnung, dass mein Magen sich wieder beruhigt, aber offensichtlich will er nicht. Das Sandwich hat da unten einiges in Gang gesetzt, und ich weiß nicht, wie ich für Abhilfe sorgen kann. Ich habe Krämpfe und stechende Schmerzen, manchmal auch beides zugleich, und noch seltener verspüre ich gar keinen Schmerz. Ich habe es aufgegeben, jedes Mal zur Tür zu schauen, wenn ich höre, wie sich jemand nähert. Sollte Caleb Cole jetzt mit seinem provisorischen Messer hereinmarschiert kommen, würde er mir einen Gefallen tun.
Schließlich ertönen Schritte und verlangsamen sich. Menschen betreten meine Zelle. Aber ich bin zu sehr damit beschäftigt, mich selber zu bemitleiden, als dass ich hochschauen könnte. Es sind mehr als nur ein Paar Füße. Es sind acht Füße, vier Wärter und eine allgemeine Atmosphäre der Wut. Unter den Wärtern sind weder Adam noch Greg. Meine Hände werden mit Handschellen vor mei nem Körper zusammengekettet und an meinen Knöcheln werden Fußfesseln befestigt, die mit einer etwa ein Meter langen Kette verbunden sind, welche wiederum durch eine weitere Kette mit den Handschellen
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